Kolumne: Die Ökonomin Die Zerstörung der Aktienkultur

Firmen wie Rocket Internet liefern viele Gründe, die Finger von Aktien zu lassen. Das Internetunternehmen von Oliver Samwer nutzt die Corona-Krise aus, um Anleger zu verprellen. Auch Konzerne, die nur noch virtuelle Hauptversammlungen anbieten wollen, schüren Frust.

Börsengang 2014 von Rocket Internet.

Börsengang 2014 von Rocket Internet.

Foto: dpa / Michael Probst

Die Deutschen sind Aktienmuffel: Nur jeder siebte hält Aktien oder Anteile an Aktienfonds – obwohl man mit Alternativen wie dem Sparbuch nichts verdienen kann. In skandivanischen Ländern liegt die Aktionärsquote doppelt so hoch, in den USA gar bei 25 Prozent. Und es wird schlimmer: 2019 kehrten über 600.000 Anleger der Börse den Rücken. Manche Firmen tun alles, um weiteren Bürgern die Lust auf Aktien zu verleiden.

So wie Rocket Internet: 2014 war die Firma von Oliver Samwer, die ein Brutkasten für Start-ups wie Hello Fresh sein will, mit 42,50 Euro pro Aktie an die Börse gegangen. Nun will Samwer sie für 18,57 Euro zurückkaufen und von der Börse nehmen. So schnell kann man sein Vermögen halbieren.

Großaktionär Samwer wird damit durchkommen.Denn die Regeln schreiben nur vor, dass sein Angebot dem Durchschnittskurs der vergangenen sechs Monate entspricht. Geschickt nutzt der großmäulige Gründer („Ich bin der aggressivste Internet-Manager der Welt“) den Börsencrash auf dem Höhepunkt der Corona-Krise aus. Das erinnert alles an die Zocker vom Neuen Markt, der vor 20 Jahren zusammenbrach.

Doch auch etablierte Konzerne schüren den Frust, indem sie die Corona-Krise nutzen, um sich zu entziehen. Wegen der Pandemie durften sie ihre Hauptversammlung ausnahmsweise ins Internet verlegen. Das waren sterile Veranstaltungen, Vorstände hatten leichtes Spiel, unliebsame Fragen abzubügeln. Nun wollen 60 Prozent der Unternehmen die Chance nutzen und das virtuelle Treffen dauerhaft beibehalten. Natürlich ist es kein Vergnügen, stundenlang Kleinaktionären mit ihren teils skurrilen Anliegen zuzuhören. Doch so viel Arbeitsleid für die Aktionärsdemokrartie muss bei Millionen-Gehältern drin sein.

Der Staat sollte die Ausnahmeregel rasch kassieren. Auch mit Blick auf die Altersvorsorge kann Deutschland es sich nicht leisten, noch mehr Anleger zu verprellen.

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