Kolumne „Die Ökonomin“ NRW lässt die Kinder im Stich

Um den Mindestabstand zu sichern, dürfen viele Kinder bis zu den Sommerferien nur noch drei Tage in die Schule. Im Flugzeug muss dagegen kein Platz frei bleiben. Das zeigt, wer die Macht hat und zermürbt Kinder wie Eltern.

 In der Schule muss Abstand gehalten werden, im Flugzeug nicht.

In der Schule muss Abstand gehalten werden, im Flugzeug nicht.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Gerne sprechen Politiker darüber, wie wichtig Bildung ist. Deutschland habe wenig Rohstoffe im Boden, umso wichtiger sei es, den Rohstoff in den Köpfen zu fördern. In der Tat spielt es bei der Frage, wie groß der Wohlstand eines Landes ist, keine Rolle, wie viel Öl und Gold es im Boden hat. Entscheidender ist der Produktionsfaktor Wissen.

Mit dem Wert der Bildung begann unlängst auch NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), als sie die Lockerungen der Corona-Auflagen für Schulen verkündete. Doch die Realität sieht traurig aus: Viele Schüler der Sekundarstufe 1 kommen gerade mal auf drei Präsenztage bis zu den Sommerferien. Drei dürftige Tage. Den Rest der Zeit müssen sie mit Distanzlernen klar kommen.

Das liegt nicht an den Schulen, viele Lehrer kümmern sich mit viel Engagement, produzieren Lernvideos und abwechslungsreiche Arbeitsblätter, bieten Videokonferenzen und Chats an. Und oft genug jonglieren sie dabei selbst zwischen eigener Kinderbetreuung und dem Job, denn auch ihre Kinder können nicht zur Schule. Gleichwohl ist Distanzlernen eben nichts gegen das gemeinsame Lernen innerhalb eines strukturierten Tagesablaufs. Doch der Wust an Regeln, den die Ministerin erlassen hat, zwingt die Schulen dazu, das Lernen vor Ort auf drei mickrige Tage zu reduzieren. Mit ihrem Schlingerkurs und den viel zu späten Ansagen hat Gebauer alles schlimmer gemacht, kreative Ansätze mussten Schulen wieder über den Haufen werfen.Dabei war seit den Schulschließungen im März klar, dass die Corona-Krise noch lange dauern wird. Und wie geht es eigentlich nach den Sommerferien weiter? Das Virus wird noch nicht weg sein, der Impfstoff aber noch nicht da. Sollen Kinder, Eltern und Lehrer noch über Monate so arbeiten? Ähnlich Fragen stellen sich auch die Eltern von Kita-Kindern, für die Gebauers Amtskollege Stramp (FDP) zuständig ist. Sollen sie noch über Monate gar nicht oder im Homeoffice arbeiten?

Das Ganze ist umso ärgerlicher, als es in anderen Bereichen nicht um Gesundheitsschutz, sondern nur um Lobbyismus geht. Als in Deutschland die Möbelhäuser noch geschlossen waren, machte NRW seine auf - hier gehe es um wirtschaftliche Interessen, so Wirtschaftsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Ein verräterischer Satz.

Noch mächtiger ist die Lobby der Airlines: Auf der Straße, in Läden und Schulen muss man 1,50 Meter Abstand halten - nur im Flugzeug nicht. Hätten die Airlines den Mittelplatz freihalten müssen, würde sich das Geschäft nicht lohnen. Damit setzten sie sich bei der EU-Kommission durch. Um den Abstand zu sichern, dürfen Schüler nur drei Tage in die Schule - aber im Flieger sitzen alle eng zusammen, als würde das Virus hier Pause machen.

Diese Willkür macht Kindern, Eltern und Lehrer mürbe. Und sie entlarvt das Gerede von der Bedeutung der Bildung als hohl.

Ihre Meinung? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort