Kolumne Der Ökonom Italien verzweifelt an sich

Düsseldorf · Italien war eine der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen nach dem Krieg. Jetzt fällt es hoffnungslos zurück.

 Einst war Fiat das Aushängeschild der italienischen Wirtschaft. Doch in den vergangenen Jahren konnte der Konzern, hier das Eingangsgebäude der Autofabrik Mirafiori in Turin, nur knapp vor der Insolvenz bewahrt werden. Ein Sinnbild für die Wirtschaftskrise im Lande.

Einst war Fiat das Aushängeschild der italienischen Wirtschaft. Doch in den vergangenen Jahren konnte der Konzern, hier das Eingangsgebäude der Autofabrik Mirafiori in Turin, nur knapp vor der Insolvenz bewahrt werden. Ein Sinnbild für die Wirtschaftskrise im Lande.

Foto: AFP/MARCO BERTORELLO

Für Deutsche ist Italien ein Sehnsuchtsort. Auch wenn die diesjährige sommerliche Hitze in Deutschland heißer ausfiel als am Stiefel, so locken doch die Sonne, die freundlichen und aufgeweckten Menschen, die Kultur und das vorzügliche Essen samt köstlichem Wein viele Nordlichter über die Alpen. Zugleich bestichen der Wohlstand des Landes (zumindest im Norden) sowie die Gelassenheit seiner Bewohner.

Doch das Bild trügt. Italien befindet sich in der schwersten Sinnkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Und das ist trotz des oft beschworenen italienischen Durcheinanders neu. Denn Italien ist eine der erfolgreichsten Nachkriegsökonomien Europas, das Pro-Kopf-Einkommen und die Produktivität wuchsen seit 1950 schneller als in Deutschland. Trotz der notorischen Unterentwicklung des Südens lag das Land bei diesen beiden wichtigsten Wohlstandsindikatoren im Jahr 2000 gleichauf mit Deutschland.

Danach passierte aber so gut wie nichts mehr. Seit knapp 20 Jahren stagniert die italienische Wirtschaft. Es gibt kaum Fortschritte bei der Produktivität, bei Innovationen und beim Pro-Kopf-Einkommen. Das Land hat noch immer nicht das Wohlstandsniveau vor der großen Finanzkrise erreicht und wird es nach Prognosen des Weltwährungsfonds auch bis zum Jahr 2024 nicht erreichen.

Was ist los im Land der südlichen Dichter und Denker, der Erfinder und Entdecker. Zunächst hat der Staat seine Hausaufgaben nicht gemacht: die Überschuldung bleibt gefährlich hoch, Geld für eine digitale Infrastruktur und die immer wichtiger werdende Bildung fehlt. Viele Universitäten des Landes haben nur noch Dritt-Welt-Niveau. Zugleich haben es die in der Vergangenheit erfolgreichen mittelständischen Unternehmer nicht geschafft, in Innovationen und Informationstechnologie zu investieren. Das höhlt das Rückgrat der italienischen Industrie aus.

Hinzukommt die wackelige Finanzkraft der italienischen Banken und die Schwäche der großen Konzerne, an der Spitze der früher allmächtige Fiat-Konzern, der einst 50 Prozent der Börsenkapitalisierung des Landes ausmachte und nur dank des Genies des viel zu früh verstorbenen Konzernchefs Sergio Marchionne vor der Insolvenz bewahrt wurde.

Das sympathische Land versinkt derzeit in Populismus, die einstigen Eliten haben abgewirtschaftet, und die vielen Wohlmeinenden, die Benpensanti, sind ratlos. Es müsste ein Ruck durch das Land gehen – wie einst im 15. Jahrhundert, als Italien mit der Renaissance das fortschrittlichste Land der Welt wurde.

Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort