Die Ökonomin Wir brauchen kein Gesetz gegen die Gier

Die Aussicht auf Ehre und Erträge ist ein Motor der Marktwirtschaft. Das Problem liegt woanders – dort, wo die alte Deutschland AG fortwirkt.

Die Schweizer haben per Volksabstimmung ein Gesetz zur Begrenzung von Manager-Gehältern erzwungen. Braucht auch Deutschland ein Gesetz gegen die Gier? Blicken wir dazu auf die Vergütungsberichte, die viele Dax-Konzerne in den vergangenen Tagen vorgelegt haben. Es ist schon seltsam, dass die Vergütung von Eon-Chef Johannes Teyssen 2012 um 25 Prozent gestiegen ist, obwohl der Konzern gerade 11 000 Stellen streicht und sein Börsenwert binnen eines Jahres um 15 Prozent gesunken ist. Auch dass Merck-Chef Karl-Ludwig Kley 30 Prozent mehr erhält, obwohl sein Konzern einen Gewinneinbruch verbuchte, gehört in die Kategorie "merkwürdig".

Die Wirtschaft braucht an manchen Stellen verantwortungsvollere Manager. Doch sie braucht kein Gesetz gegen die Gier. Gier – oder vornehmer gesagt: der Drang, besser und reicher zu werden – ist ein Motor der Marktwirtschaft. Ohne Aussicht auf Ehre und Erträge wären viele Erfindungen nicht gemacht, viele unternehmerische Risiken nicht eingegangen worden.

Was die deutsche Wirtschaft aber auch braucht, ist mehr Wettbewerb in den Vorstandsetagen. Hier liegt das tiefere Problem der Vorstandsvergütungen. Jedes Gehalt, auch ein Millionen-Gehalt, ist berechtigt, wenn es das Ergebnis eines Wettbewerbs ist. Knappe Talente können am Markt eben höhere Preise durchsetzen als weniger knappe Talente. Doch die Preise für Top-Manager werden nicht auf einem Markt ausgehandelt, auf dem die Bedingungen des Wettbewerbs herrschen. Sie werden von den Aufsichtsräten des jeweiligen Unternehmens bestimmt – und in ihnen sitzen allzu oft andere Vorstände. Zu den Glanzzeiten der alten Deutschland AG war so ein Kartell der Aufsichtsräte entstanden, das sich gegenseitig (üppige) Gehälter genehmigte. Noch heute ist der Kreis jener sehr klein, die die Spitzengehälter festlegen.

Hier setzt die Justizministerin nun an: Sie will künftig die Eigentümer, also die Hauptversammlungen, über die Vorstands-Gehälter abstimmen lassen. Als "Gesetz gegen Gier" wird sie dies nicht vermarkten können, als sinnvolle, marktkonforme Idee schon.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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