Die Ökonomin Steuerpolitik zwischen Pest und Cholera

Aus Sicht der Wirtschaft ist das Wahlprogramm der SPD schmerzhaft, aber ehrlich. Die Union klammert alle Konflikte einfach aus. Das eine ist so ärgerlich wie das andere.

 Unsere Autorin Antje Höning.

Unsere Autorin Antje Höning.

Foto: Höning

Mit Spannung haben wir auf die Wahlprogramme gewartet. Union wie SPD versprechen 15 Milliarden Euro Steuerentlastung. Bei der Union heißt es "um gut 15 Milliarden", bei der SPD "um mindestens 15 Milliarden". Damit steht einer dritten großen Koalition unter Angela Merkel nichts im Wege. Wünschen sollten wir das nicht. Steuer- und rentenpolitisch war schon Merkels "GroKo II" eine Enttäuschung. Und die Wahlprogramme lassen befürchten, dass eine "GroKo III"nicht besser wird.

Die SPD verärgert gut verdienende Bürger und Unternehmer, indem sie den Spitzensatz auf 45 Prozent erhöhen will. Doch immerhin legt sie ein Konzept vor, aus dem sich konkret ablesen lässt, für wen es teurer wird und für wen günstiger. Das Konzept der Union ist dagegen so vage, dass sich Forschungsinstitute außerstande sahen, die Folgen für Musterhaushalte zu berechnen. "Alles Teflon", so die Experten. Die Vagheit ist Folge des Traumas von 2003. Damals verordnete Merkel ihrer Partei in Leipzig ein mutiges marktwirtschaftliches Programm (Bierdeckel statt Progression, Kopfpauschale in der Krankenkasse) - und hätte die Wahl 2005 fast verloren. Seither gibt es in der Steuer- und Sozialpolitik (abgesehen von der "Rente mit 67") nur noch Geschenke.

In die Kategorie gehört auch das Baukindergeld (Union) und Familienbaugeld (SPD), mit denen man um Familien buhlt. Dabei produzieren diese Subventionen nur Mitnahmeeffekte und heizen die Immobilienpreise an. Kredite werden Kunden bereits nachgeworfen. Mit dem Dichter Rilke möchte man nach Berlin rufen: "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keins mehr."

Bei der Rente sieht es ähnlich aus. Die SPD verspricht doppelte Haltelinien bei Rente und Beitrag, was ohne längere Arbeitszeit nicht gehen wird. Die Union vertagt das Problem einfach: Wie es nach 2030, wenn es wegen der Verrentung der Babyboomer kritisch wird, weitergeht, soll eine Kommission klären.

Das ist ärgerlich und zukunftsvergessen - zumal beide ihr Papier "Regierungsprogramm" nennen. Dazu ist weder das eine noch das andere geeignet. Mehr Mut, bitte.

Ihre Meinung? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de.

(RP)
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