Kolumne Der Ökonom Die schwarze Null wird zum Problemfall

Düsseldorf · Die schwarze Null, das Erfolgsmodell der Haushaltssanierung, beginnt nun, das Wirtschaftswachstum zu behindern. Bei Nullzinsen ist der Haushaltsausgleich gefährlich.

 Ein Beispiel für marode Infrastruktur: Die fast 50 Jahre alte Rheinbrücke der Autobahn 1 vor dem Leverkusener Kreuz muss nach der Entdeckung gravierender Schäden jahrelang saniert und für Lkw gesperrt werden.

Ein Beispiel für marode Infrastruktur: Die fast 50 Jahre alte Rheinbrücke der Autobahn 1 vor dem Leverkusener Kreuz muss nach der Entdeckung gravierender Schäden jahrelang saniert und für Lkw gesperrt werden.

Foto: dpa/Marius Becker

Die Sanierung der öffentlichen Haushalte gehört zu den wenigen Erfolgsgeschichten der großen Koalition. Die Lastenverschiebung auf künftige Generationen, die in jeder übermäßigen Staatsverschuldung, angelegt ist, wurde gestoppt. Deshalb ist die schwarze Null, der Haushaltsausgleich, ein wichtiges ökonomisches Ziel gewesen.

Doch sie zum unumstößlichen Dogma zu erheben, ist gefährlich. Denn das verkennt wichtige makroökonomische Zusammenhänge. Die Lage in Deutschland ist gekennzeichnet durch eine enorme Ersparnisbildung – sowohl bei den privaten Haushalten und den Unternehmen. Zählt man alle Bestände hierzulande zusammen, so besitzen die Bürger nach Berechnungen der beiden Ökonomen Carl Christian von Weizsäcker und Hagen Kremer das Dreizehnfache ihres Jahreskonsums als Vermögen. Das verteilt sich zu 47 Prozent auf das Realkapital, Maschinen und Produktionsanlagen, zu 20 Prozent auf den Boden und zu 33 Prozent auf Forderungen gegen den Staat. In letztere Zahl sind auch alle Ansprüche aus der Sozialversicherung (Rente, Krankheit, Pflege und Arbeitslosigkeit) enthalten.

Wenn nun das jährlich neu entstehende Sparangebot auf zu wenig Nachfrage trifft, weil die Unternehmen zu wenig investieren und der Staat den Haushalt ausgleicht, wandert das neue Kapital ins Ausland und wird über den Leistungsbilanzüberschuss (Exporte minus Importe) finanziert. Gleichzeitig sinkt der Inlandszins auf Null, während die Unternehmen selbst die günstigeren Bedingungen nicht für zusätzliche Investitionen nützen.

In dieser Lage muss der Staat mit zusätzlichen Investitionen einspringen. Nur so kann der Zins vom Nullniveau wieder steigen. Und es gibt wahrlich genug zu tun: Unsere physische und digitale Infrastruktur ist marode und rückständig. Das erfahren Autofahrer, Bahnreisende und Mobilfunkkunden täglich.

Natürlich muss es ein Limit nach oben geben, sonst geraten die Haushalte bei ausgabefreudigen Politikern schnell wieder in ein Ungleichgewicht. Die derzeitigen 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, zu denen sich der Bund derzeit verschulden darf, sind aber definitiv zu wenig.

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