Der Ökonom Was wir von Franz von Assisi wirtschaftlich lernen können

Franz von Assisi hat sich radikal für die Armen eingesetzt. Sein Orden machte daraus eine Bildungsoffensive für Arbeitslose.

Die frommen Legenden erzählen davon, wie der Italiener Franz von Assisi (1181-1226), dessen Namen der neue Papst annahm, buchstäblich sein letztes Hemd verschenkte, um ganz für die Armen da zu sein. Radikale Armut – kann das ein Rezept für die Wirtschaft sein, die bekanntlich auf Wohlstand für alle zielt? Es kann. Denn Franz und der von ihm gegründete Orden verlangten Armut nur für die eigene Person, nicht für die Gesellschaft. Sie wollten damit ein Zeichen für die Solidarität mit den Armen setzen und die christliche Überzeugung leben, dass materieller Reichtum nicht das letzte Ziel menschlichen Tuns sein darf.

Mit dieser Einstellung lösten die Franziskaner – bewusst oder nicht – eine innovatorische Revolution im Mittelalter Italiens aus. In ihrer Solidarität mit den einfachen Menschen gingen sie – anders als die bis dahin vorherrschenden Orden – in die Städte, wo sie mit einem armseligen Heer von Arbeitslosen konfrontiert wurden. Für die sammelten sie Almosen, aber sie bildeten die Arbeitslosen auch als Wollkämmer, Leinenweber und andere Textilfachwerker aus. Ökonomisch gesprochen investierten die Franziskaner-Mönche in das Humankapital mittelitalienischer Städte wie Perugia, Florenz, Siena oder Prato. Schon bald entstand daraus eine gut ausgebildete Facharbeiterschaft, die grundlegend wurde für den ökonomischen Aufschwung dieser Städte im Spätmittelalter und zu Beginn der Renaissance.

Die Franziskaner erkannten als erste im westlichen Europa, dass den Armen besser mit Bildung als mit Almosen geholfen ist. Ihr Glaube kam ihnen zu Hilfe. Denn es ist nach christlicher Moralvorstellung gottgefällig, wenn der Mensch betet – und arbeitet. Im Gegensatz zur Antike, in der Müßiggang und die Beschäftigung mit den schönen Dingen das höchste Ziel der Eliten war, standen in der asketischen Welt der Franziskaner eine bescheidene Lebensführung und die Arbeit ganz oben. Die Mönche betrachteten die Armen auch als den Reichen und Mächtigen gleichberechtigt. Ihr Los war nicht gottgegeben. Dies wurde zur Grundlage einer Aufstiegsmentalität, die Italien und später auch Europa nachhaltig erfasste. Tüchtige Handwerker wurden zu Kaufleuten und konnten ihre Erzeugnisse in entferntere Regionen wie Flandern und Norddeutschland exportieren. Das Gebot der bescheidenen Lebensführung förderte das Sparen, aus dem sich das italienische Bankwesen entwickelte. Insofern schufen die Franziskaner 300 Jahre vor dem Protestantismus die Grundlagen der modernen Wirtschaft.

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(RP)
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