Der Ökonom Was Merkel wirtschaftspolitisch versäumte

Deutschland gilt als erfolgreichste Ökonomie Europas. Doch das ist das Ergebnis vergangener Entscheidungen. Für die Zukunft tut die Regierung Merkel zu wenig.

Keine Frage, ökonomisch steht die Bundesrepublik derzeit glänzend da. Die Arbeitslosigkeit liegt unter dem Schnitt der wichtigsten Industrieländer, die Exporte haben nie gekannte Größen erreicht, und bis 2017 erwartet Finanzminister Wolfgang Schäuble einen Überschuss im Bundeshaushalt von neun Milliarden Euro. Kanzlerin Angela Merkel wird nicht müde, dies als große Erfolge der schwarz-gelben Bundesregierung zu verkaufen.

Aber stimmt das und ist es ausreichend? Tatsächlich hat die bürgerliche Koalition aus Union und FDP in den vergangenen vier Jahren nur wenig für die Zukunft vorgesorgt. Sie hat am Anfang der Legislaturperiode die Bürger um einige Milliarden entlastet, danach reichte es nur für kosmetische Reparaturen. Merkel war mit der Rettung des Euro beschäftigt, Wirtschaftsminister Philipp Rösler und sein Counterpart im Umweltministerium, Peter Altmaier, streiten sich über die Energiewende. Derweil verrottet Deutschlands Infrastruktur, die Spitzenforschung liegt weit hinter der amerikanischen und chinesischen zurück, und auch in der Bildungspolitik erhält Deutschland von der Industrieländerorganisation OECD ständig schlechte Noten. Die Bundesrepublik verlässt sich noch immer ausschließlich auf die Exportlokomotive und die hohe Produktivität ihrer traditionellen Industrie. Derweil vergrößert sich der Abstand in der IT-Technologie zu den führenden Zentren. Außer SAP und Zalando hat Deutschland kein führendes Internet-Unternehmen hervorgebracht.

Schlimmer: Die Deutschen werden ärmer. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat ausgerechnet, dass die Bundesrepublik seit 2006 Auslandsvermögen in Höhe von rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verloren hat. Das zeigt, dass deutsche Anleger und Firmen im Ausland nicht sonderlich erfolgreich waren. Auch das Vermögen des durchschnittlichen Haushalts liegt hinter dem Spaniens, Frankreichs, Italiens, ja selbst Griechenlands. All das zeigt, dass die Bundesregierung ihre ureigene Aufgabe in der Wirtschaftspolitik, nämlich für günstige Rahmenbedingungen zu sorgen, nicht erfüllt hat. Sie profitiert noch immer von den mutigen Entscheidungen vergangener Regierungen wie etwa die Schröders mit seiner Liberalisierung des Arbeitsmarkts. Selbst wenn man einräumt, dass Merkel die Euro-Krise ordentlich managt, wäre der künftige Rückstand der deutschen Ökonomie ein allzu hoher Preis dafür.

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(RP)
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