Der Ökonom Die Europäische Zentralbank geht aufs Ganze

EZB-Präsident Mario Draghi geht ungewöhnliche Wege. Das mag in Zeiten einer echten Weltwirtschaftskrise richtig sein, aber die haben wir nicht.

Die Wortwahl der britischen Wirtschaftspresse war verräterisch. Er sei ein talentierter Zentralbanker, aber kein Magier, urteilte die "Financial Times" über Mario Draghi, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Das Wort "Magier" erinnert an den Zentralbanker Hitlers, den Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht. Der erfand 1934 den Mefo-Wechsel, um mit einer höheren Geldmenge die Wirtschaft anzukurbeln und hatte anfangs Erfolg damit.

In einer nicht ganz unähnlichen Weise wiederholt Draghi, der den EZB-Zentralbankrat beherrscht wie kaum jemand vor ihm, den Ansatz Schachts. Gegen die deflationäre Spirale helfen nur unkonventionelle Maßnahmen - Negativzinsen, Kreditauflagen, Ankauf von Firmenanleihen. Damit verletzt Draghi das Mandat der EZB, die sich ausschließlich um die Geldwertstabilität kümmern und nicht die europäische Wirtschaft retten soll. Draghi und seine Jünger halten dem entgegen, dass man nicht vorher die Hausordnung lesen kann, wenn das Haus in Flammen steht. Man muss sofort löschen.

Doch die EZB übersieht, dass die Situation auch in Südeuropa nicht so prekär ist wie in den 30er Jahren weltweit. Es gibt keine konjunkturbedingte Massenarbeitslosigkeit, sondern gewaltige Anpassungslasten. Eine Politik der stabilen Finanzen und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit wirkt aber nur langsam. Die Notenbank soll die Anpassungen nicht behindern, aber die Wirtschaft auch nicht mit Massenkrediten und einer unbegrenzten Liquidität ankurbeln. Sie darf schon gar nicht aktive Wirtschaftspolitik betreiben, indem sie Banken Vorschriften für ihre Kreditvergabe macht. Die EZB ist nicht die Planbehörde der europäischen Wirtschaft.

Schacht übrigens scheiterte letztlich mit seiner Politik, die Sparer verloren ihr Vermögen.

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(RP)
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