Kolumne: Der Ökonom Das ewige Streitthema Erbschaftsteuer

Die große Koalition muss schon wieder das Erbschaftsteuerrecht ändern. Doch wie sieht ein gerechtes System der Besteuerung des Nachlasses aus? Keine einfache Frage.

Johann Wolfgang von Goethe wusste es wieder am besten. "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen", heißt es im ersten Teil des Faust-Dramas. Darin liegt auch eine ökonomische Wahrheit. Denn was ist Erbe? Verpflichtung oder grundloses Einkommen. Das erste dürfte der Staat nur schonend besteuern, das zweite könnte er komplett wegsteuern. Es gibt radikale Ökonomen, die sich für eine 100-prozentige Erbschaftsteuer aussprechen. Doch das widerspräche der menschlichen Natur, in der Schenken und Vererben Grundkonstanten sind. Würde der Staat hier eingreifen, entstünde eine kalte Egoisten-Gesellschaft, die Altruismus bestraft.

Üblicherweise neigen Ökonomen dazu, die Erbschaften so zu behandeln wie normale Einkommen. Sie vergrößern die Leistungsfähigkeit des Erben. Der Staat sollte sie deshalb zu ihrem individuellen Steuersatz heranziehen. Reiche müssten hohe Erbschaftsteuern zahlen, Ärmere deutlich weniger. So bestechend dieser Ansatz erscheinen mag - er hat entscheidende Schwächen. Häuser, Betriebe oder Grundstücke lassen sich nicht beliebig teilen. Der Betriebs- oder Hausübergang müsste mit einem Verkauf des Vermögenswertes bezahlt werden. Zudem geht die Erbschaftsteuer auf die Substanz. Sie vermindert das Vermögen einer Volkswirtschaft.

Der Staat sollte Erbschaften deshalb moderat besteuern. Damit verzerrt er zwar etwas die Nutzenentscheidung desjenigen, der vererben will. Denn der Ökonom Robert Barro hat festgestellt, dass die Konsum- und Sparentscheidungen der einzelnen auch davon bestimmt sind, was der später seinen Kindern vererben kann. Wichtig ist, dass es keine unterschiedliche Behandlung der Vermögensteile geben darf, das Erbe muss gleich besteuert werden. Davon ist der Entwurf von Finanzminister Schäuble für ein neues Erbschaftsteuergesetz meilenweit entfernt. Besser wäre jedenfalls ein einheitlicher niedriger Steuersatz mit einem hohen Freibetrag - für alle.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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