Interview mit DIHK-Präsident Driftmann "Wirtschaft schafft 180.000 neue Jobs"

Berlin · Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Hans Heinrich Driftmann erwartet 2013 vor allem in der Gesundheits- und Pharma-Branche neue Stellen. Es könnten noch mehr sein, wenn der Strompreis nicht so stark steigen würde.

 Hans Heinrich Driftmann sagt, die Wirtschaft werde 2013 mit angezogener Handbremse wachsen.

Hans Heinrich Driftmann sagt, die Wirtschaft werde 2013 mit angezogener Handbremse wachsen.

Foto: dpa, Michael Kappeler

Wie wird das Jahr 2013 für die deutsche Wirtschaft?

Driftmann Die deutsche Wirtschaft wächst auch 2013 — jedoch mit angezogener Handbremse. Vor allem die Investitionsneigung der Unternehmen ist eingetrübt. Auch das Exportgeschäft mit den Ländern der Eurozone lahmt. Daher reicht es in diesem Jahr nur für ein Plus von 0,7 Prozent.

Eine Rezession bleibt uns voraussichtlich erspart. Warum?

Driftmann Stabilisator ist vor allem der private Konsum. Die Beschäftigung wächst weiter, die Einkommen steigen, die Preise sind stabil — alles gute Nachrichten für die Verbraucher. Bemerkenswert robust zeigen sich auch die Exporte in Länder außerhalb der Eurozone.

Was spricht für eine noch bessere als die prognostizierte Entwicklung, was für eine schlechtere?

Driftmann Das Finanzierungsumfeld ist hierzulande derzeit recht günstig, die Unternehmen vertrauen in die eigene Wettbewerbsfähigkeit — das könnte dann auch die Investitionsdynamik wieder beleben. Dazu muss sich aber die Lage in den Krisenländern Schritt für Schritt stabilisieren und Vertrauen zurückgewonnen werden. Hier sehe ich zugleich immer noch ein großes Risiko. Der Spar- und Reformkurs in Europa darf auf keinen Fall gelockert werden.

Welche Entwicklung erwarten Sie am Arbeitsmarkt?

Driftmann 2013 rechne ich mit rund 180.000 zusätzlichen Stellen, größtenteils im Dienstleistungsbereich. Hierbei suchen die Unternehmen vornehmlich qualifizierte Fachkräfte. Sie stellen derzeit beispielsweise Frauen ein, die in den Arbeitsmarkt zurückkehren, junge Menschen, die früher ins Berufsleben einsteigen oder qualifizierte Zuwanderer. Menschen ohne Berufsabschluss haben es weiterhin schwer. Daher befürchte ich gleichzeitig einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um etwa 50.000 Personen.

In welchen Branchen geht es aufwärts?

Driftmann Überdurchschnittlich legt vor allem die Gesundheitswirtschaft zu. Dafür sorgt die demografische Entwicklung. Das Exportgeschäft der Pharmabranche und der Medizintechnik profitiert von der Modernisierung der Gesundheitssysteme vor allem in Schwellenländern. Darüber hinaus wachsen Wohnungsbau und Konsumnachfrage, wenn auch nicht mehr so schnell wie in den letzten Jahren. Das kommt Bauunternehmen und beispielsweise der Gastronomie oder der Freizeitwirtschaft zugute.

Kommt der Prozess der Reindustrialisierung zum Erliegen?

Driftmann Deutschland ist nicht zuletzt dank seiner breiten und tiefen Wertschöpfungskette gut durch die Krise gekommen. Das gesamte Netzwerk Industrie trägt einen bedeutenden Teil zum BIP bei. Damit dies auch in Zukunft so ist, muss die Politik auch im kommenden Jahr die Rahmenbegingungen für die Industrie stärken und für deren Akzeptanz sorgen. Hierzu zählt für mich ausdrücklich auch der notwendige Aus- und Umbau der Infrastruktur.

Welchen Verteilungsspielraum gibt es 2013 generell? Und speziell in der Metallindustrie?

Driftmann Die Verteilungsspielräume sind von Branche zu Branche unterschiedlich. Die verantwortungsvollen Abschlüsse der Tarifpartner der letzten Jahre haben dazu beigetragen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Waren und Dienstleistungen zu steigern, die Beschäftigung hat Höchststände erreicht und der Arbeitsmarkt zeigt sich robust gegenüber der EU-Schuldenkrise. Mit Blick auf die nach wie vor unsichere Situation in Europa sollten wir diesen Weg nicht verlassen, um die Beschäftigungsentwicklung bei schwächerer Konjunktur nicht zu belasten.

Wie viele Jobs werden durch steigende Strompreise gefährdet?

Driftmann In Folge der Energiewende sind in Deutschland die Strompreise für zahlreiche Unternehmen zum 1. Januar im zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Gleichzeitig ist die Weitergabe der gestiegenen Kosten in vielen Branchen nicht möglich. Gerade für Unternehmen im internationalen Wettbewerb ist es daher schwierig, ihre Marktposition zu halten, geschweige denn auszubauen. Viele Betriebe investieren bereits in Energieeffizienz und machen sich darüber hinaus Gedanken, was sie gegen steigende Strompreise tun können. Auf jeden Fall dämpfen die Preisanstiege die Beschäftigungsentwicklung 2013 - Betriebe, die die Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko sehen, haben zurückhaltendere Beschäftigungsabsichten.

Warum sind die vielen Ausnahmen für energieintensive Betriebe bei den Kosten für Ökostrom und Netzentgelte gerechtfertigt?

Driftmann Wenn wir auf die internationalen oder die europäischen Strompreise schauen, dann ist Deutschland immer mit an der Spitze. Viele energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, wären daher ohne Sonderregelungen in Deutschland nicht überlebensfähig. Eine gesunde Volkswirtschaft braucht aber die gesamte Bandbreite industrieller Wertschöpfung - und dazu gehören selbstverständlich energieintensive Branchen.

Warum wäre ein Energieministerium sinnvoll?

Driftmann Ich glaube nicht, dass mit einem Energieministerium alle Meinungsverschiedenheiten einfach verschwinden. Die bestehenden Konflikte zwischen den Ministerien würden vermutlich vor allem unter ein Dach verlagert. Weitere Verzögerungen kann die Energiewende aber in der Tat nicht brauchen, weil wir direkt nach der Bundestagswahl dringend Entscheidungen über das Zusammenwirken von erneuerbaren und konventionellen Energien brauchen. Ich sehe daher alle Beteiligten in der Pflicht, das Projekt besser zu koordinieren.

Steuererhöhungen gehören zum Programm von Rot-Grün. Was wären die Folgen?

Driftmann Höhere Steuern bedeuten weniger Geld für Investitionen und Innovationen. Letztlich gefährden Steuererhöhungen damit Arbeits- und Ausbildungsplätze. Die öffentlichen Haushalte kann man auch sanieren, ohne den Bürgern und Unternehmern tiefer in die Taschen zu greifen. In Zeiten von Steuereinnahmen auf Rekordniveau würde schon der Verzicht auf teure Wahlgeschenke, wie z. B. das Betreuungsgeld, hier einiges bringen. Das Gleiche gilt auch für Ideen, neue Wohltaten in der Rentenversicherung zu verteilen.

Fachkräftemangel bekämpfen - wo muss Deutschland da künftig schneller vorankommen?

Driftmann Zur Fachkräftesicherung müssen wir die Potenziale in Deutschland noch stärker nutzen -hier gilt es z.B. Frauen und Ältere noch besser in Beschäftigung zu integrieren. Beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen wir schneller vorankommen und den beschlossenen Ausbau der Kinderbetreuungskapazitäten dringend umsetzen. Auch die Rente mit 67 ist mit Blick auf die demografische Entwicklung richtig. Zugleich müssen wir stärker auf die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte setzen. Mit der Blue Card wurden hier Erleichterungen für Hochqualifizierten eingeführt. Jetzt müssen wir diese Möglichkeiten im Ausland bekannt machen und dort mehr für den Arbeitsort Deutschland werben.

(mar)
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