Washington Wirtschaft in Sorge wegen US-Haushaltskrise

Washington · Der Haushalts-Stopp trifft viele Staatsdiener und Bürger in den USA. Die deutsche Exportwirtschaft sorgt sich vor allem wegen des Streits um die Schuldenobergrenze. Die Vereinigten Staaten sind der zweitgröße Absatzmarkt nach Europa.

Als das Desaster nicht mehr abzuwenden war, zog die Demokratin Louise Slaughter Bilanz: "Es ist Mitternacht, und die große Regierung der Vereinigten Staaten ist nun geschlossen." Da hatte sich das Parlament des Landes, dessen Politiker gerne nationale Größe beschwören, gründlich blamiert. Da war der Versuch der Parteien gescheitert, sich auf einen neuen Etat zu einigen. Nun herrscht "Government Shutdown", die Abschaltung der Regierung.

Wer trägt die Verantwortung?

Die Republikaner haben den Etatstreit mit der ungeliebte Gesundheitsreform ("Obama-Care") verknüpft, die sie mindestens verzögern wollen. Getrieben von ihrem radikalen Flügel, der Tea Party, beharren sie: Auch einem provisorischen Haushalt wollten sie nur zustimmen, wenn das Kernelementes von Obama-Care – die Pflicht zum Erwerb einer Krankenversicherung – um ein Jahr aufgeschoben wird. Dennoch kreiden die Republikaner nun den Demokraten an, dass diese die Verantwortung für den "Shutdown" tragen. US-Präsident Barack Obama betonte dagegen, nur eine Fraktion in nur einer Partei in nur einer Kammer des Kongresses habe nicht das Recht, den gesamten Staat lahmzulegen. Selbst Pete King, Republikaner aus New York, äußerte Verständnis für Obama. "Die Strategie der Tea Party führt in eine Sackgasse." King weiß noch gut, wie der "Shutdown" vor 17 Jahren ausging: Bei der anschließenden Präsidenten-Wahl hatten die Wähler die Republikaner und ihren Ideologen Newt Gingrich hart bestraft, indem sie den Demokraten Bill Clinton mit klarer Mehrheit im Amt bestätigten.

Wer ist in den USA betroffen?

Da der letzte Etat am 30. September um 23.59 Uhr ausgelaufen ist, müssen viele Bundeseinrichtungen nun ihre Arbeit einstellen. 800 000 der gut zwei Millionen Bundesangestellten müssen unbezahlten Zwangsurlaub nehmen. Die Nationalparks wie Grand Canyon oder Yellowstone sind geschlossen. Die Museen lassen keine Besucher mehr rein. Die Raumfahrtbehörde Nasa lässt neun Zehntel ihrer Wissenschaftler pausieren. Die Arzneimittelaufsicht FDA will nur noch begrenzt weiterarbeiten, entsprechend können sich Zulassungen verzögern. Bundesgerichte werden nur noch zehn Tage weiterarbeiten. Bei Visa-Behörden kann es Verspätungen geben.

Alle sicherheitsrelevanten Bereiche arbeiten dagegen weiter. Die Soldaten sind vom Stillstand der Bundesverwaltung ebenso ausgenommen wie Fluglotsen, Gefängniswärter und Fleischbeschauer. Auch Busse, Bahnen, Schulen arbeiten wie bisher – deren Mitarbeiter werden nicht vom Bund bezahlt.

Wie reagieren die Börsen?

Die Finanzmärkte reagierten entspannt. Zwar gab der Dollar kräftig nach, der Euro stieg zeitweise auf 1,35 Dollar. Der Dax aber legte sogar zu. Die Börsianer hatten den "Shutdown" bereits erwartet. Zudem hoffen sie auf eine rasche Einigung – indem etwa die Demokraten ein winziges Zugeständnis bei der Gesundheitsreform machen, das den Republikanern gesichtswahrend die Zustimmung erlaubt. Doch mit der Gelassenheit kann es schnell vorbei sein, wenn die Lähmung lange anhält. Laut Experten-Schätzungen kann ein "Shutdown" pro Woche das US-Wachstum um 0,1 Prozentpunkte senken. Die Rating-Agentur Standard & Poor's mahnte den Kongress: Vorerst werde sich an der zweitbesten Bonitätsnote ("AA+") zwar nichts ändern. Doch wenn die Schuldenobergrenze nicht rechtzeitig angehoben wird, werde das Rating radikal abgestuft.

Wie gefährlich ist der Streit um die Schuldengrenze?

Das größere Problem als der aktuelle Etatstreit ist die Gesamtverschuldung. Bis Mitte Oktober werden die USA ihre gesetzlich vorgeschriebene Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen Dollar erreicht haben. Wird diese Grenze nicht angehoben, dürfen die USA keine neuen Kredite mehr aufnehmen und hätten damit auch keine Möglichkeit, auslaufende Kredite zu ersetzen. Die größte Volkswirtschaft der Welt wäre faktisch zahlungsunfähig. Vor dieser Lage hatten die USA 2011 schon mal gestanden, damals war große Nervosität an den Börsen ausgebrochen, bis in letzter Minute eine Heraufsetzung gelang.

Was sind die Folgen für Deutschland?

Die deutsche Wirtschaft schaut mit Sorge über den Atlantik. Zwar gehen nur zehn Prozent der deutschen Exporte direkt in die USA. Gleichwohl sind die USA damit nach Europa der zweitwichtigste Markt für die deutschen Hersteller.

Und schon der aktuelle Notstand bedeutet Unsicherheit. Die kann die labile Weltkonjunktur gerade nicht vertragen, wie der Groß- und Außenhandelsverband (BGA) betonte. Denn die deutschen Exporteure leiden ohnehin schon unter dem Ende des China-Booms und der Krise in Schwellenländern wie Indien. Der BGA hat gerade erst seine Prognose für das Exportwachstum auf magere 1,5 Prozent halbiert. "Wenn sich die Amerikaner jetzt selbst ein Bein stellen, ist das brandgefährlich für die gesamte Weltwirtschaft und damit natürlich auch für die deutsche Exportwirtschaft", sagte BGA-Präsident Anton Börner.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) warnt vor einem Spiel mit der Schuldenobergrenze. Eine andauernde Lähmung der amerikanischen Haushaltspolitik würde zu Investitionsunsicherheit führen. Dabei ziehen die USA gerade jetzt immer mehr Investitionen aus Deutschland an.

"Die Erholung der Weltwirtschaft darf nicht zum Spielball werden", sagte auch Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). "Handlungsunfähige Behörden stören den transatlantischen Handel und Austausch empfindlich."

(RP)
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