Safthersteller auf Sinnsuche Wie Beckers Bester sich neu erfand

Nörten-Hardenberg · Seit Jahrzehnten stellt Beckers Bester Fruchtsäfte her. Doch seit der Urenkel der Gründerin das Geschäft übernommen hat, trimmt er das Familienunternehmen auf Nachhaltigkeit und Moral. Ein Leben zwischen Niederrhein und Niedersachsen.

 Sebastian Koeppel leitet das Familienunternehmen Beckers Bester.

Sebastian Koeppel leitet das Familienunternehmen Beckers Bester.

Foto: Beckers Bester

Das erste Mal klingelte das Telefon in der Nacht. Doch da war Uwe Christiansen schon nicht mehr erreichbar. Aber bereits am nächsten Morgen, erzählt der Hamburger Gastronom, habe sich Sebastian Koeppel dann erneut gemeldet. Erst schriftlich, dann per Telefon. Der Geschäftsführer des Getränke-Herstellers Beckers Bester wollte sich entschuldigen. „Perfekte Cockails brauchen keine Bar“, hatte das Familienunternehmen in einer Werbekampagne getitelt, mit der man die Cocktail-Bar mit Mischungen wie „Mai Tai“ oder „Sex on the beach“ im Tetrapack nach Hause bringen wollte. Barbesitzer Christiansen fand das ziemlich frech und machte seinem Unmut über das soziale Netzwerk Facebook Luft.

„Während eine ganze Zunft Angst um die eigene Existenz hat, fühlt sich solch ein Slogan wie ein Schlag ins Gesicht an“, räumte Beckers-Bester-Chef Sebastian Koeppel anschließend in einem offenen Brief ein. Man habe die Situation leider nur aus den Augen der Endverbraucher gesehen. Das Unternehmen änderte die Werbebotschaft, überklebte Aufsteller, korrigierte seinen Fehler. „Das haben viele Leute Beckers Bester hoch angerechnet“, sagt Uwe Christiansen. Fast zwei Stunden telefonierte der Gastronom am Tag nach seinem Facebook-Post mit Koeppel, der sich erneut entschuldigte. „Die Reaktion war sehr ehrlich“, sagt Christiansen.

Koeppel pendelt zwischen Niederrhein und Niedersachsen

Ehrlich, authentisch, wertschätzend – solche Begriffe tauchen immer wieder mal auf, wenn Unternehmen ihre Identität definieren wollen. Doch in der Praxis kommt davon meist wenig an. Sebastian Koeppel hingegen baute das Familienunternehmen quasi anhand solcher Werte komplett um.

Koeppel ist seit 2012 Geschäftsführer des Fruchtsaftherstellers. Seitdem pendelt er zwischen Niedersachsen und Niederrhein, dem Sitz der Firma und dem Wohnsitz der Familie. Der Unternehmer ist der Urenkel von Firmengründerin Bertha Becker. Diese hatte Anfang der 1930er Jahre damit angefangen, aus den Früchten der eigenen Obstbäume Most zu machen, 1932 wurde daraus das Unternehmen, dass heute in vierter Generation von Koeppel geführt wird.

Hinter der Marke liegen ein paar harte Jahre

Während Gleichaltrige auf ein Mofa oder Motorroller sparten, legte Koeppel sein Geld als Jugendlicher für etwas anderes zurück: „Mit 15 Jahren habe ich für 3000 DM einen Grundlehrgang zur Fruchtsaftherstellung gemacht“, sagt er. Danach habe er in der Produktion alles mal gemacht – außer dem Fahren der Lastwagen. 2006 rückte Koeppel, damals erst Mitte 20, in die Geschäftsführung auf, die damals noch von seinem Onkel Ernst Becker geleitet wurde. Doch schon nach kurzer Zeit stieg der junge Koeppel wieder aus. „Mit meinem Onkel war es schwierig, deswegen bin ich dann irgendwann gegangen“, sagt Koeppel. Erst 2012 kehrte er zurück und übernahm die gesamten Anteile am Unternehmen gemeinsam mit seinem Schwiegervater, dem Logistik-Unternehmer Wolf-Peter Korth aus Willich. „Seitdem versuche ich alles, um die patriarchalischen Strukturen zu beseitigen“, sagt Koeppel.

Hinter der Marke lagen ein paar harte Jahre mit Verlusten und Personalabbau. Der junge Geschäftsführer brach mit vielen Traditionen – und sanierte Beckers Bester in einem schwierigen Marktumfeld. Denn die Deutschen trinken immer weniger Fruchtsäfte. 2011 waren es noch 35 Liter jährlich im Schnitt, inzwischen kratzt man an der 30-Liter-Marke. Das hatte auch Auswirkungen auf Beckers Bester. Bis 2015 sanken die Absätze. Seitdem ging es wieder bergauf. Für 2020 erwartete das Unternehmen einen Umsatz von rund 47 Millionen Euro. Dann kam die Corona-Krise. „Der größte Erfolg ist, dass wir das Jahr überlebt haben“, sagt Koeppel: „Ganz klar, vielen Unternehmen und Selbständigen geht es deutlich schlechter als uns. Aber die Pandemie hat sich umsatzseitig eher negativ für uns ausgewirkt und zusätzlich sind uns massive Mehrkosten entstanden.“

Der Kulturwandel wird trotz Corona vorangetrieben

Doch gleichzeitig hat Koeppel den Kulturwandel weiter vorangetrieben – aus Überzeugung. Firmenwerte, das betont der Chef immer wieder, wolle man leben und erlebbar machen. Was das in der Praxis bedeutet, kann man gut an den Getränkepackungen erkennen. Da werden teilweise auch Preiserhöhungen offensiv kommuniziert. „Das ist mutig, aber so stärkt das Unternehmen die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Marke“, sagt die Marketing-Professorin Regine Kalker von der Hochschule Düsseldorf. In einem Buch hatte sie Beckers Bester vor einiger Zeit sogar explizit als Vorbild für Preiskommunikation genannt. „Das Unternehmen ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass Preiserhöhungen nicht wie bei den bekannten Mogelpackungen versteckt erfolgen müssen“, sagt sie. Selbst in Zeiten von Ernteausfällen und damit verbundenen Kostensteigerungen lebe man die Werte und suche den Dialog mit dem Endkunden und werbe um Verständnis für die Preiserhöhungen.

Umgekehrt reagierte Koeppel aber auch, als im darauffolgenden Jahr die Ernte wieder besser war – und nahm die Preiserhöhung zurück. „Das hat zu Ärger geführt“, erinnert er sich an die Reaktion der großen Lebensmittelhändler. Doch gleichzeitig gelang es Beckers Bester dadurch, Kunden stärker an die Marke zu binden. Die konnten ihre Verbundenheit zuletzt nicht nur durch den Kauf eines Safts ausdrücken, sondern das Unternehmen per Crowdinvesting auch finanziell direkt unterstützen.

„Zeit der erzwungenen Distanz scheint zu enden“

Ob sich die Markentreue auszahlt, wird sich erst in Zukunft zeigen. Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen war zu Beginn der Schwarmfinanzierung jedenfalls nicht absehbar. Sebastian Koeppel blickt dennoch wieder zuversichtlicher nach vorne: „Die Zeit der erzwungenen Distanz scheint hoffentlich im neuen Jahr zu enden und wir können wieder intensiver interagieren.“ Gleichzeitig hofft er, dass auch andere Unternehmen und die Politik ihre bisherige Strategie überdenken. „Für uns als Gesellschaft hoffe ich, dass wir so langsam in einen breiten Dialog kommen, was für uns zukünftig Wohlstand bedeutet“, sagt Koeppel: „In Zeiten von Klimawandel, Pandemien und wirtschaftlichen  Hintertreffens Europas wird mir immer deutlicher, dass wir längst an unsere Wachstumsgrenzen gekommen sind.“

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