Düsseldorf Wie krank ist China wirklich?

Düsseldorf · China hält die Welt in Atem. Wiederholt sich jetzt die Asienkrise von 1997 oder die Weltwirtschaftskrise von 2009? Letztere begann mit der unerwarteten Pleite der Lehman-Bank, weltweit erstarrten die Unternehmen und stoppten ihre Investitionen. Doch ein solches singuläres Ereignis gibt es dieses Mal nicht. Mit exogenen Schocks wie einer Bankpleite können Börse und Wirtschaft nicht umgehen, mit Abschwüngen schon.

Eher schon lässt sich die China-Krise mit der Asien-Krise vergleichen. Diese ging 1997 von Japan aus - ein Land, das wie China stürmisch gewachsen und dann hart gelandet war. Auch damals platzte eine schuldenfinanzierte Immobilienblase, der japanische Staat versuchte vergeblich gegenzusteuern. Nippon fiel in eine jahrelange Rezession und riss die Nachbarn mit. So schlimm wird es dieses Mal nicht werden, erwarten Experten wie Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft: "Die Weltwirtschaft als Ganzes wird weniger dynamisch, aber sie wird nicht in eine Rezession verfallen." So steht es um China.

Normalisierung nach Boomjahren Vor 40 Jahren war China noch Entwicklungsland, das von der Landwirtschaft abhängig war, bei schlechten Ernten kam es zu Hungersnöten. Dann setzte eine stürmische Industrialisierung ein, die (ohne Rücksicht auf die Umweltkosten) das Land zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt machte. 2009 lösten die Chinesen die Deutschen als Exportweltmeister ab. Bis 2009 legte das Land auch mit zweistelligen Wachstumsraten zu. Das kann nicht ewig weitergehen. 2015 soll China nach dem Willen des Staates um sieben Prozent wachsen - viel für europäische Verhältnisse, wenig für chinesische. Keiner aber weiß, wie echt diese Zahlen sind. In der Volksrepublik werden Wachstumsziele staatlich vorgegeben.

Strukturwandel China erlebt wie alle Industrieländer einen Strukturwandel. 2004 war die Industrie noch der wichtigste Wirtschaftszweig, sie trug 46 Prozent zur Wertschöpfung bei. Heute sind es nur noch 43 Prozent. Mit dem starken Wachstum wuchsen auch die Löhne; binnen zehn Jahren verdreifachte sich das Durchschnittseinkommen eines Haushaltes. Entsprechend stiegen die Lohnstückkosten, die einfache industrielle Fertigung verlor ihre Wettbewerbsfähigkeit. Ausländische Textilkonzerne sind bereits weitergezogen und lassen heute etwa im günstigeren Kambodscha fertigen. Zudem haben viele nicht rechtzeitig auf die schwache Weltwirtschaft reagiert. Kunststoffe, Autos, Solarzellen - Chinas Industrie leidet unter Überkapazitäten.

Finanzierung auf Pump Wie meist bei jungen Volkswirtschaften finanzierte auch China sein Wachstum auf Pump. Der chinesische Immobilienmarkt boomte. Seit die Krise heraufzieht, geraten Unternehmen und Konsumenten in Not.

Dennoch sehen Experten keinen Grund zur Panik. Denn manches ist auch anders als 1997. China hat inzwischen einen großen Dienstleistungssektor, der 48 Prozent der Wirtschaftsleistung erzeugt. Digitale Firmen wie der Onlinehändler Alibaba oder der PC-Hersteller Lenovo sind weltweit ein Begriff. China hat 1,3 Milliarden Konsumenten und eine wachsende, erfolgshungrige Mittelschicht. Für die britische Zeitung "The Economist" ist die Sache klar: "Es gibt gute Gründe, sich wegen China zu sorgen, doch ein tiefer Pessimismus ist übertrieben."

(anh)
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