WM-Veranstaltungsland Wie Katar die deutsche Wirtschaft prägt

Düsseldorf · In einem Jahr findet die Fußball-WM in dem Emirat statt. Immer wieder kritisieren Menschenrechtler die Lebens- und Arbeitsbedingungen dort. Einblicke in das Land, das Großaktionär bei VW, Siemens und der Deutschen Bank ist.

Nahezu omnipräsent: Viele Gebäude in Katar zieren Bilder des amtierenden Emirs, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani.

Nahezu omnipräsent: Viele Gebäude in Katar zieren Bilder des amtierenden Emirs, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani.

Foto: dpa/Kamran Jebreili

Bei der Länge des Namens Hamad ibn Dsaschim ibn Dschabr Al Thani fühlt man sich unwillkürlich erinnert an Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al-Gossarah, den treuen Weggefährten von Kara Ben Nemsi in einigen Karl-May-Büchern. Der Name der Romanfigur ist noch ungleich länger, dafür ist Erstgenannter real und weitaus mächtiger: einst Premier und Außenminister des Emirats Katar, wo im Winter 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet, Mitglied der umstrittenen Königsfamilie Al Thani in einem Land, in dem mit Blick auf die WM unmenschliche Arbeitsbedingungen immer wieder angeprangert werden, einer der reichsten Männer der Welt mit einem geschätzten Vermögen von zwölf Milliarden US-Dollar. Privatvermögen, versteht sich.

So dringend notwendig weitere Verbesserungen bei Menschenrechten in Katar wären, so oft Vorwürfe laut werden, das Land unterstütze Terroristen, so verständlich die Kritik an den Umständen für die Arbeiter auf Katars Baustellen ist – so heikel ist diese Kritik bisweilen für die deutsche Wirtschaft. Denn für viele Konzerne spielt das Land eine wichtige Rolle als Großinvestor oder Auftraggeber, den man ungern vergrätzt, sondern lieber diplomatisch umgarnt. Oben genannter Hamad ibn Dsaschim ibn Dschabr Al Thani beispielsweise ist längst zu einer wichtigen Figur in der deutschen Wirtschaft geworden und wird entsprechend hofiert.

Das Emirat am Persischen Golf, gerade mal halb so groß wie Hessen, respektive eine Investmentgesellschaft aus dem königlichen Clan der Thani halten insgesamt sechs Prozent der Anteile an der Deutschen Bank und drei Prozent an Siemens. Sie sind mit ihrem 17-Prozent-Paket größter Einzelaktionär bei Volkswagen. Und ein maßgeblicher Faktor beim größten deutschen Autobauer und einem der wichtigsten Indus­triekonzerne des Landes. Genau wie beim – ungeachtet aller Schwächen – immer noch bedeutendsten Bankhaus der Republik.

Dort zeigt sich auch aktuell, wie groß der Einfluss der Katarer in der deutschen Wirtschaft geworden ist. In Frankfurt begab sich der Großaktionär vom Golf selbst auf die Suche nach einem Nachfolger für den Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Den hatten die Katarer vor Jahren noch gestützt, jetzt wollten sie den Österreicher offenbar auch nicht mehr. Folge: An die Stelle des noch amtierenden Chefkontrolleurs rückt im kommenden Jahr der Niederländer Alexander Wynaendts. Kontrolleur von Scheiches Gnaden.

Noch ein paar Prestigeobjekte gefällig, in die die Vertreter des Morgenlandes im Abendland bereits investierten? Da wären der französische Fußballclub Paris St Germain, das Londoner Luxuskaufhaus Harrods und weitere prominente Banken wie Barclays (Großbritannen) und Credit Suisse (Schweiz).

Dazu kommt: Deutschland ist mit einem Anteil von rund sieben Prozent nach den USA (18,7 Prozent) und China (11,9 Prozent) der drittgrößte Güterlieferant für Katar. Besonders gefragt aus Deutschland sind im Orient Chemieprodukte, Maschinen und Kraftfahrzeuge. 2020 wurden Rüstungsgüter im Wert von 300 Millionen Euro nach Katar geliefert. Umgekehrt kommen vor allem Petrochemie und Nichteisenmetalle aus Katar zu uns. Somit ist der Golfstaat ein wichtiger Handels- und Geschäftspartner. Auch große Mittelständler verkaufen Waren nach Katar, für die Deutsche Bahn gab es Großaufträge in Milliardenhöhe, Fußball-Rekordmeister Bayern München schlägt dort sein jährliches Winter-Trainingslager auf und wird von der staatlichen Airline Qatar Airways gesponsert.

Womit der Fußball einen Stein des Anstoßes liefert; Bayern-Anhänger wollen eine Beendigung des Sponsorings durch die Fluggesellschaft aus dem Land des WM-Gastgebers und vergessen dabei, dass es Verträge gibt, die einzuhalten sind. Das gilt in einem Sponsoring-Deal genauso wie bei allen anderen Kontrakten. Der Vertrag der Bayern mit Qatar Airways läuft noch bis 2023 und bringt den Münchnern pro Jahr etwa 20 Millionen Euro ein. Solche Summen liefern Fußballvereinen übrigens jene Mittel, die sie in der Regel benötigen, um die ganz großen Stars zu verpflichten und die ganz großen Titel zu gewinnen. Auch davor darf man nicht die Augen verschließen.

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