Wie die Euro-Krise eskalierte

Düsseldorf Wann begann Europas Schuldenkrise und wie verschärfte sie sich? Drei Ereignisse sind entscheidend gewesen.

Lehman-Pleite Am 15. September 2008 bricht die US-Bank Lehman Brothers wegen Fehlspekulationen zusammen. Professionelle und private Anleger reagieren weltweit mit einer viel größeren Vorsicht vor nicht völlig sicheren Anlagen – Risikozuschläge auf Kredite gehen hoch. Gleichzeitig erhöhen fast alle westlichen Staaten noch einmal ihre sowieso schon hohe Verschuldung, um mit staatlichen Ausgaben eine Rezession abzuwehren. In drei Jahren steigt die Verschuldung der 17 Euro-Staaten von 6000 Milliarden auf 7800 Milliarden Euro im Jahr 2010 – in Spanien verdoppelt sie sich bis 2011 von 36 Prozent des Bruttosozialproduktes auf knapp 70 Prozent.

Der Fall Griechenland Im Oktober 2009 revidiert der neue griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou das staatliche Defizit von sechs auf bis zu 13 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Erstmals könnte ein Land der Euro-Zone pleite gehen, lautet die Botschaft. Athen erhält 110 Milliarden Euro Hilfe. Und als herauskommt, dass Athen jahrelang die Statistiken gefälscht hatte und nie die Kriterien der Euro-Zone erfüllte, wächst das Misstrauen von Banken, Versicherungen oder Rentenfonds rund um die Welt, ob ihr Geld in Europa gut angelegt ist.

Seitdem müssen Italien, Portugal oder Spanien immer wieder Risikozuschläge von bis zu sechs Prozent auf ihre Anleihen zahlen, während Deutschlands zeitweise Geld für fast Null-Prozent Zins erhält – viele Milliarden Euro Fluchtgeld drängen hierhin.

Umschuldung Im Juli 2011 werden private Gläubiger von Griechenland genötigt, bei einem Anleihentausch auf 37 Milliarden Euro ihrer Kredite zu verzichten. Das entlastet Athen, verschärfte aber die Krise für andere Länder. Die Annahme, dass Kredite an Euro-Staaten sicher sind, ist endgültig als falsch enttarnt. Als Reaktion drängen schwächere Länder wie Spanien, Italien oder Frankreich seitdem darauf, dass die Rettungsfonds EFSF und künftig ESM immer höhere Mittel erhalten, um jede Sorge vor einem Staatsbankrott von ihnen auszuräumen, sie fordern wie der Internationale Währungsfonds "unbegrenzte Feuerkraft" der Hilfsfonds.

Aus dem gleichen Grund steigt der Druck, dass die EZB so wie im Jahr 2010 für viele Milliarden Euro Anleihen angeschlagener Euro-Staaten aufkauft, um sie vor hohen Risikozuschlägen zu schützen. Und obwohl Deutschland an sich den Einsatz von Rettungfonds unterstützt, bremsen Regierung und Bundesbank beim Aufblähen der Rettungfonds: Die Sorge, dass Länder Gelder nur nutzen, um Reformen zu verzögern, ist groß. Tatsächlich gehen die Euro-Staaten unterschiedlich mit der Krise um.

Irland muss zwar am 21. November 2010 als zweites Land hinter Griechenland Hilfskredite von 85 Milliarden Euro beantragen, weil der aufgeblähte Bankensektor nach Lehman-Brothers zum großen Teil zusammengebrochen war, doch ein Sparprogramm wird umgesetzt. Im Juni konnte der Inselstaat wieder Geld zu akzeptablen Bedingungen aufnehmen, nächstes Jahr könnte die Wirtschaft wachsen – eine Erfolgsstory.

Portugal schlüpft ab Mai 2011 unter den Rettungsschirm und erhält 78 Milliarden Euro. Es gibt mittlerweile erste Erfolge der Reformen.

Spanien Dort schaukeln sich Banken- und Wirtschaftskrise gegenseitig hoch. Der Rettungsschirm ESM erklärt sich am 20. Juli bereit, bis zu 100 Milliarden Euro für die notleidenden Banken zu geben, Regierungschef Mariano Rajoy schließt nicht aus, dass Madrid unter den Rettungsschirm muss und versucht mit Reformen die Lage zu stabilisieren.

In Italien, Frankreich und Griechenland entscheidet sich aber die Schuldenkrise.

Italien In Rom fegt die Euro-Krise vor neun Monaten den zu Reformen unfähigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi weg. Nachfolger Mario Monti legt als Chef einer überparteilichen Regierung ein ambitioniertes Sparprogrammen vor. Doch die Investoren fordern weiter hohe Risikozuschläge – immerhin lasten 1946 Milliarden Euro Schulden auf dem Land. Monti will am Reformkurs festhalten, doch die steigende Arbeitslosigkeit erhöht die Defizite – ein Teufelskreis droht.

Frankreich Der Antritt des linken Staatspräsidenten François Hollande am 15. Mai verschärft die Krise: Er nimmt in der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas Reformen zurück – die Finanzmärkte sind verunsichert. Er unterstützt Deutschland weniger als sein konservativer Vorgänger Nicolas Sarcozy, in schwächelnden Staaten auf eine wirtschaftsfreundlichere Agenda zu drängen – auch das erschwert eine Lösung der Schuldenkrise.

Griechenland Im September wird Griechenland von der "Troika" bescheinigt bekommen, Reformauflagen gebrochen zu haben. Werden dann die Hilfen gestoppt, droht gar ein Staatsbankrott? Keiner weiss es, Athen droht im Pokerspiel mit Europa indirekt damit, nur eines ist sicher: Die Zeiten bleiben turbulent.

(RP)
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