Ehemaliger Wirtschaftsminister Werner Müller - die graue Eminenz wird noch mächtiger

Düsseldorf · Werner Müller hatte einst für die rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg verhandelt und später die Blaupause für den Ausstieg aus der Steinkohle-Förderung geschrieben. Nun soll er die Suche nach einem Atommüll-Endlager leiten.

Ehemaliger Wirtschaftsminister: Werner Müller - die graue Eminenz wird noch mächtiger
Foto: dpa, Roland Weihrauch

Mit heiklen Missionen in der Energiewirtschaft kennt sich Werner Müller aus. Als parteiloser Wirtschaftsminister hatte er einst für die rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg mit der deutschen Industrie verhandelt. Im Juni 2000 vereinbarten Bundesregierung und die Chefs der Energiekonzerne den Ausstieg aus der Kernkraft bis zum Jahr 2021. Damit wurde in Deutschland ein langjähriger Streit um die Kernenergie beendet — jedenfalls vorläufig. Müller war es damals gelungen, die Interessen der Energie-Wirtschaft mit denen der Umweltschützer in Einklang zu bringen.

An diese Mission kann Müller nun anknüpfen. Vertreter der Bundesregierung haben sich nach Information unserer Zeitung mit der SPD darauf verständigt, Müller zum Vorsitzenden der neuen Kommission zur bundesweiten Suche nach einem Atommüll-Endlager zu machen. Auch Spitzen-Grüne sollen ihre Zustimmung signalisiert haben. Müller selbst ist derzeit im Wanderurlaub und war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Müller ist bestens vernetzt

Der bisher als Favorit für den Vorsitz der Kommission geltende UN-Umweltexperte Klaus Töpfer war offenbar am Widerstand der FDP gescheitert. Töpfer (CDU) war einst Umweltminister in der schwarz-gelben Bundesregierung und hat sich damals bei der FDP nicht nur Freunde gemacht.

Der in der Energiebranche bestens vernetzte Müller indes gilt parteiübergreifend als tragbar. Er hat bereits mehr als einmal bewiesen, dass er Probleme sensibel lösen und dabei auch neue Wege gehen kann.

Der in Essen geborene Sprachwissenschaftler kennt die Energiebranche inzwischen aus vielen Perspektiven. Seine berufliche Karriere hatte er beim Essener Versorger RWE begonnen, bevor er später zum Eon-Vorgänger Veba wechselte. Nach seiner Zeit als Bundeswirtschaftsminister ging er 2003 zurück in die Wirtschaft und wurde Chef des Zechenkonzerns RAG.

Müller gelingt 2006 ein Meisterstück

Dort gelang ihm sein eigentliches Meisterstück: Er schrieb 2006 die Blaupause für den Ausstieg Deutschlands aus der Steinkohle-Förderung. 2018 wird nun die letzte deutsche Zeche geschlossen, die Geschichte der milliardenschweren Subventionen kommt zu einem Ende, ohne dass einem einzigen Bergmann gekündigt wird. Ganz nebenbei wurde mit dem Umbau der RAG auch die deutsche Chemie-Landschaft auf den Kopf gestellt: Aus dem Umbau entstand als neuer Chemiekonzern Evonik, dessen erster Chef Werner Müller wurde.

Heute ist Evonik das Sparbuch der neu gegründeten RAG-Stiftung, die nach 2018 für die Ewigkeitslasten des Bergbaus (Abpumpen der Gruben) aufkommen muss. Die RAG-Stiftung, die die Mehrheit an Evonik hält, wird seit Dezember 2012 von Müller geführt.

Seiner Wahl zum RAG-Stiftungs-Chefs war ein jahrelanger Streit vorausgegangen. Teile der NRW-CDU hatten Müller verhindern wollen, sie hatten es dem Manager nicht verziehen, dass er als RAG-Chef einst im NRW-Wahlkampf Stellung bezogen hatte. Auch dass Müllers Staatssekretär Alfred Tacke vor gut zehn Jahren die Übernahme von Ruhrgas durch Eon gegen den Willen des Kartellamtes durchsetzte, stieß vielen auf. Sie werfen Müller bis heute vor, er wolle mit Hilfe der mächtigen RAG-Stiftung Industriepolitik im Stile der alten WestLB machen.

Die Kanzlerin teilt diese Bedenken nicht. Sie schätzt Müller seit Langem. Als Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn (2005 bis 2010) hat Müller für Ruhe in dem immer wieder in den Schlagzeilen stehenden Konzern gesorgt.

Die Suche nach einem neuen Standort für das Atommüll-Endlager dürfte für den 67-Jährigen nun die herausforderndste Aufgabe werden. In der neuen Kommission, der er vorstehen soll, sind jeweils zwei Sitze für Umweltverbände, Industrie, Gewerkschaften und Kirchen vorgesehen, zudem acht für Wissenschaftler und 16 für Politiker. Bis 2015 sollen sie Kriterien für die Suche festlegen, bis 2031 soll ein neuer Endlagerstandort vom Bundestag beschlossen werden. Eine Aufgabe, für die man langen Atem braucht.

(brö)
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