Düsseldorf Weltkonzern gegen Wundertüte

Düsseldorf · VW will bis 2025 eine Million Elektroautos pro Jahr verkaufen und damit Weltmarktführer werden. Dumm nur: Das Ziel verfolgt der E-Auto-Pionier Tesla auch - allerdings bis 2020. Die Rollen scheinen bei dem Duell klar verteilt. Oder doch nicht?

Die Zeit der Demut ist vorbei. Größe sei kein Selbstzweck, hatte VW-Chef Matthias Müller vor einigen Monaten gesagt. Aber ein bisschen Größe darf es dann wohl doch sein: "Bis 2025 wollen wir eine Million Elektroautos pro Jahr verkaufen und Weltmarktführer in der Elektromobilität sein", kündigte VW-Markenchef Herbert Diess gestern bei der Vorstellung der Strategie "Transform 2025+" selbstbewusst an und ergänzte: "Volkswagen wird sich grundlegend verändern."

Allerdings: Eine Million Fahrzeuge will der E-Auto-Pionier Tesla auch produzieren - und das sogar schon bis zum Jahr 2020. VW hat also mindestens einen Konkurrenten um die Weltspitze. Man kann solche Ankündigungen von Tesla-Chef Elon Musk zwar unter dem Stichwort "Größenwahn" verbuchen, weil er schon oft mehr versprochen hat, als am Ende gehalten wurde. Aber es bleibt die Frage: Was bedeutet das Duell für die Autowelt?

Zunächst mal: VW produziert jährlich zehn Millionen Fahrzeuge, Tesla nicht mal ein Prozent davon. VW hat jahrelange Erfahrung darin, für den Massenmarkt zu produzieren, Tesla nicht. Wer David und wer Goliath in der alten Autowelt ist, ist unbestritten.

Allerdings hat Tesla es schon einmal geschafft, die Branche zu überrumpeln. Der Plan, ein reines Elektroauto zu entwickeln, wurde von den etablierten Konzernen erst belächelt, dann hektisch kopiert. Auch bei VW beginnt erst jetzt die E-Auto-Offensive. Gleichzeitig drängen Start-ups in den Markt. Diess weiß, dass der Markt im Umbruch ist - und VW auch Gegner wie Tesla ernst nehmen muss: "Arroganz gehört der Vergangenheit an", sagt er.

VW könnte sogar von Tesla lernen, wie man Begehrlichkeiten weckt. Als die Kalifornier den Bau ihres Modell 3 ankündigten, gab es innerhalb weniger Tage rund 400.000 Vorbestellungen für je 1000 Dollar. Auch wenn diese problemlos gekündigt werden können, ist interessant: Nutzer sind bereit, einer Firma einen Kredit über 400 Millionen Dollar zu geben für ein Produkt, das es noch nicht gibt. Welcher etablierte Autokonzern kann so etwas von sich behaupten?

Auch Diess weiß, dass es daher nicht nur um den Umbau des Antriebs bei VW geht. Es geht auch um die Marke. Sie steht für Zuverlässigkeit, das ist nicht besonders sexy. Er sagt daher: "Die Marke soll zugänglicher und sympathischer werden." Anders als Tesla kann Diess nicht einfach aus dem Nichts ein neues Unternehmen bauen, er muss langwierig im Bestand renovieren. Das kostet Zeit, Kraft und mitunter mehr Geld. Während man bei Tesla davon spricht, dass in Fabriken Maschinen die Maschinen bauen, muss sich VW um rund 600.000 Mitarbeiter Gedanken machen.

Bei der Produktion für den Massenmarkt wird VW so schnell nicht zu schlagen sein, aber niemand weiß, ob das Unternehmen den Sprung ins Digitalzeitalter schafft. Das weiß auch Diess. Neben Investitionen in Elektromobilität und Digitalisierung (unter anderem in eine Plattform, mit der man bis 2025 80 Millionen Kunden vernetzen will) geht es ihm daher auch darum, schwächelnde Regionen wie die USA zurückzuerobern und für Märkte wie Russland, Indien oder Südamerika preisgünstige Einstiegsautos zu entwickeln.

Die neue Strategie ist eine Mischung aus alter und neuer Welt. Tesla wird VW nicht schlagen, dafür wird VW ein bisschen zu Tesla.

(frin)
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