München/Düsseldorf 320 000 Austritte wegen ADAC-Skandals

München/Düsseldorf · Der umstrittene Automobilclub will erst im Dezember über eine Struktur-Reform entscheiden. Trotz Manipulation beim Preis "Gelber Engel" treten Mitglieder neu bei. Das ADAC-Geschäftsmodell funktioniert weiter.

Wegen ADAC-Skandal: 320 000 Austritte
Foto: dpa, geb fdt nar

Die Zentrale des Allgemeinen Deutschen Automobil Clubs in München ist wie eine Trutzburg. Ein stattlicher Glaspalast, dem die Skandale der vergangenen Monate irgendwie nicht viel anhaben konnten. Wie der schwer in die Kritik geratene Club gestern mitteilte haben im ersten Halbjahr nur 320 000 Kunden ihre Mitgliedschaft aufgrund der Skandalserie um Fälschungen beim Autopreis "Gelber Engel" und Privatflügen mit Rettungshubschraubern gekündigt. Hinzu kamen weitere 65 000 Austritte aus anderen Gründen. Dem standen aber 370 000 neue Mitglieder gegenüber. Das heißt: Der Skandal hat 15 000 Mitgliedschaften gekostet, seit Jahren waren die Mitgliederzahlen gewachsen. Noch immer tragen 18,93 Millionen Autofahrer die Mitgliedskarte bei sich. "Das ist verständlich, die meisten Menschen würden sich wohl eher scheiden lassen als aus dem ADAC auszutreten", argwöhnt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer. "Der Grund ist die verlässliche Pannenhilfe. Nur die interessiert die Mitglieder."

Die Aufarbeitung der Skandalserie verschiebt der Club aber lieber hinter verschlossene Türen. Interimspräsident August Markl wollte sich bei der Bilanzpressekonferenz nicht groß mit Reformen befassen. "Wir wollen und werden jene Schwächen und Defizite beheben, die sich bei uns in den vergangenen Jahren eingeschlichen haben", sagte der Nachfolger des zurückgetretenen Präsidenten Peter Meyer. Strukturen stünden auf dem Prüfstand, Details zu Umbauten wurden allerdings nicht genannt. Im Dezember sollen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung Beschlüsse gefasst werden. Die bisher einzigen Neuerungen: Die Regionen heißen jetzt nicht mehr altmodisch Gau, und die Kindersitze werden aus dem Verkauf genommen. Der eingerichtete Beirat, der für Transparenz sorgen soll, kam nicht zu Wort. "Ein Unternehmen mit Aufsichtsrat ist da wesentlich transparenter", klagte Dudenhöffer.

Statt über Reformen sprach Markl lieber über eine beeindruckende Milliarden-Bilanz des Clubs. 2013 nahm der ADAC 1,05 Milliarden Euro an Mitgliedsbeiträgen ein, ein Zuwachs von rund 30 Millionen Euro. Für die Pannenhilfe zahlte der Club 269,2 Millionen Euro. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 3,7 Millionen Euro (Vorjahr: 17,5 Millionen Euro). Interessant ist auch der Abschluss der unter dem Dach der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH gebündelten 44 Töchter und Beteiligungsunternehmen. Die erwirtschafteten einen Umsatz von 1,09 Milliarden Euro und einen Gewinn von 120 Millionen Euro (plus 34,3 Millionen Euro). Allein das Geschäft mit Versicherungen brachte dem Konzern 708 Millionen Euro Umsatz ein.

Der Club verfügt über ein stattliches Eigenkapital in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Das könnte er demnächst aber auch brauchen. Denn noch immer sieht sich der Club mit Steuernachforderungen für seine Pannenhilfe konfrontiert. Der Fiskus fordert für die Jahre 2007 bis 2009 Versicherungssteuer auf Mitgliedsbeiträge, der ADAC geht von bis zu 200 Millionen Euro aus. Rückstellungen hat der Club keine gebildet. Bisher sei nicht ersichtlich, dass dies nötig wäre, hieß es.

(RP)
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