Düsseldorf Was beim Erben und Vererben wichtig ist

Düsseldorf · In Deutschland werden jedes Jahr Milliardenwerte an Kinder, Geschwister und andere weitergegeben. Wir erklären, in welchen Fällen Steuern fällig werden, welche Freigrenzen gelten und was man sonst noch alles wissen sollte.

Rund 330 Milliarden Euro werden Deutsche im Jahr 2020 vererben, wie die Postbank prognostiziert. 2013 lag diese Summe noch bei 254 Milliarden. Regelmäßig gibt's Rekorde beim Gesamtbetrag, und auch die Summe der Schenkungen hat zugenommen. Wurden 2009 noch rund 13 Milliarden Euro vor dem Tode verschenkt, waren es 2013 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes schon fast 40 Milliarden Euro. Das Betriebsvermögen war die jeweils größte geschenkte Vermögensart. Doch hier muss der Staat bis Mitte 2016 nachbessern. Das Bundesverfassungsgericht hat Ende 2014 entschieden, dass kleine und mittlere Unternehmen zu stark begünstigt sind (Az. 1 BvL 21/12).

Steuer und Freibeträge

Beim Erben hält der Staat die Hand auf. Er kassiert Erbschaftsteuer. Entscheidend ist dabei die Höhe des Erbes, die bei Immobilien oder Antiquitäten aktuell ermittelt werden muss. Bei Gütern gilt der mögliche Verkaufspreis. Gleichzeitig ist der Verwandtschaftsgrad für die Höhe der Steuer ausschlaggebend. Je näher der Erbe mit dem Verstorbenen verwandt ist, desto geringer fällt die Erbschaftsteuer aus. Ehegatten, Kinder und Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft haben die höchsten Freibeträge (siehe Tabelle: Freibeträge für Erbschaft und Schenkung).

Pflichtteil bleibt

Wo viel vererbt wird, da entbrennt regelmäßig auch Streit um das Erbe. Bei rund einem Viertel aller Erbschaften gebe es Ärger, schätzt die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Deshalb der Rat: Wer seine Hinterlassenschaft schon zu Lebzeiten genau aufteilt, kann Streit vermeiden.

Zwar darf man sein Vermögen testamentarisch bestimmten Personen vermachen, doch den sogenannten gesetzlichen Pflichtteil kann man meist nicht ausschließen. So reicht es für den Ausschluss nicht aus, wenn ein Kind keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hat. Es müssen gravierende Umstände vorliegen, die eine vollständige Enterbung möglich machen.

Wer nur seinen Pflichtteil erhält, der bekommt nur noch die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Stirbt beispielsweise ein Verheirateter, und er hinterlässt Partner und zwei Kinder, so steht dem Ehepartner die Hälfte des Erbes zu. Die zweite Hälfte wird unter den Kindern aufgeteilt. Jedes Kind bekommt daher ein Viertel oder als Pflichtteil noch ein Achtel.

Wille rechtssicher machen

"Eine unmissverständliche Nachlassplanung, zum Beispiel durch ein Testament, und klare Absprachen mit allen Beteiligten zu Lebzeiten des Erblassers können Streit vermeiden", bestätigt Ralph-Patrick Paul, Fachanwalt für Erbrecht aus Düsseldorf. Doch laut Postbank haben nur rund 28 Prozent der Erblasser die Verteilung der Erbschaft mit allen Beteiligten sicher abgesprochen. Ist nichts geregelt, gilt die gesetzliche Erbfolge mit oft unerwünschten Folgen und Konsequenzen.

Demgegenüber lässt sich mit einem klar formulierten Testament oder einem Erbvertrag vieles sauber regeln. Ein vollständig handschriftlich angefertigtes, mit Datum, Ort und Unterschrift versehenes Testament ist grundsätzlich eine gültige letztwillige Verfügung. Dabei sollte man aber auch noch den Hinweis nach "deutschem Recht" eintragen. "Mit einer bewussten Wahl ausländischen Erbrechts kann das Pflichtteilsrecht beeinflusst werden", verrät Jurist Paul.

Seit diesem Jahr gilt in der Europäischen Union die Kapitalverkehrsfreiheit auch für Nachlässe. Somit kann jeder Erblasser das Erbrecht seines Heimatlandes als gültiges Recht bestimmen, auch wenn er im Ausland lebt und der Besitz im Ausland liegt. Ausgenommen davon sind Grundstücke sowie Betriebsvermögen.

Berliner Testament

Auch das sogenannte Berliner Testament, das erst einmal den überlebenden Partner als Alleinerben einsetzt und die Kinder nach dessen Tod als Schlusserben, "funktioniert nicht immer", warnt Paul. Schwierig wird es vor allem dann, wenn es um Patchwork-Familien geht. "Hier empfiehlt es sich, die Verhältnisse per Erbvertrag maßgeschneidert zu regeln", sagt der Experte.

Ärgernis Erbengemeinschaft

Erben Kinder eine Immobilie, ist diese bis 200 Quadratmeter Größe von der Erbschaftsteuer befreit. Voraussetzung ist, dass die Immobilie zehn Jahre genutzt wird, bevor man sie veräußert. Hauseigentümer, die mehrere Kinder haben, sollten es möglichst vermeiden, dass eine Erbengemeinschaft entsteht. Regeln sie nichts, erben nämlich alle Geschwister die Immobilie zu gleichen Teilen. Das kann viel Ärger mit sich bringen und sogar viel Geld kosten, wenn gegenseitig geklagt wird. Denn die Interessen der Geschwister können sehr unterschiedlich sein. Experte Paul: "Das kann dazu führen, das die Immobilie nicht mehr verwaltbar ist, weil keiner allein entscheiden darf." Daher ist es sinnvoller, das Haus oder die Wohnung mit einem sogenannten Zahlungsvermächtnis zu hinterlassen. In diesem Fall erbt ein Geschwisterteil die gesamte Immobilie und muss, wenn es beispielsweise drei Geschwister gibt, jeweils ein Drittel des Wertes an die beiden anderen auszahlen. "Soll die Immobilie im Familienstamm bleiben, ist das auch über eine längere Ratenzahlung möglich", so Paul. Diese sollte aber niedrig verzinst sein, damit der Erbe des Hauses die Zahlungen auch stemmen kann.

Experten finden

Die DVEV hat im Internet (www.erbrecht.de) eine Suchmaschine eingerichtet, in der bundesweit rund 2300 Rechtsanwälte, Fachanwälte für Erbrecht, Notare, Testamentsvollstrecker, Steuerberater oder Nachlasspfleger gefunden werden können. Sehr empfehlenswert ist die Broschüre "Erben und Vererben", die beim Bundesjustizministerium kostenlos erhältlich ist und im Januar 2014 neu aufgelegt wurde (www.bmjv.de ). Wer sich in erbrechtlichen Fragen beraten lassen will, kann dies in der Regel kostenfrei machen, wenn er rechtsschutzversichert ist.

Intelligente Schenkung

Wichtig ist die Beratung vor allem dann, wenn der Erblasser über ein sehr großes Vermögen verfügt und dieses frühzeitig per Schenkung weitergeben will, um so den Nachkommen Erbschaftsteuer zu sparen. Die Freibeträge können alle zehn Jahre voll ausgenutzt werden. Steuervorteile gibt es zudem bei Zuwendungen zum Zwecke des angemessenen Unterhalts, zur Ausbildung des Begünstigten oder bei der Einrichtung eines gemeinschaftlichen Bank- oder Wertpapierdepots. Somit lassen sich große Vermögen über mehrere Jahrzehnte hinweg steuerfrei übertragen.

Lebensversicherung

Das Bezugsrecht regelt bei Versicherungen, wer im Todesfall der versicherten Person die vereinbarte Leistung erhalten soll. Die Auszahlung der Versicherungssumme fällt nicht mit in den Nachlass. Es kann also ein Bezugsberechtigter auftreten, der mit der übrigen Erbschaft gar nichts zu tun hat. Daher sollte man immer wieder prüfen, wer als Bezugsberechtigter eingesetzt wurde, und ob dies noch dem eigenen Wunsch entspricht. Zudem sollten Lebens- und Unfallpolicen sehr sorgfältig aufbewahrt werden. Seit 2006 hat der Versicherungsverband GDV seinen bundesweiten Suchservice bei Mitgliedsunternehmen eingestellt.

Ohne Erbschein ans Konto

Ein notarielles Testament oder ein notarieller Erbvertrag und ein amtliches Protokoll der Testamentseröffnung reichen fast immer aus, um an das Konto eines Verstorbenen zu gelangen. Einen Erbschein darf die Bank in einem solchen Fall nicht verlangen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden (Az. I-31 U 55/12).

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort