Kolumne Warten Sie nicht auf höhere Zinsen!

Die EZB kann ihre Niedrigzinspolitik wegen der Probleme der Schuldenstaaten vorerst noch nicht beenden.

Der Zins ist verschwunden. Seit Jahren warten Sparer in Deutschland darauf, dass sich Sparen wieder lohnt, zumindest ein bisschen. Und dass der Zinses-Zins-Effekt, einst von Albert Einstein als achtes Weltwunder gepriesen, irgendwann wieder Wunder bewirkt. Die Realität ist eine andere; und doch machen sich viele Sparer dieser Tage Hoffnung.

Denn die US-Notenbank hat ihren Leitzins kürzlich erneut angehoben. Zwei weitere "Zinsschritte" dürften 2017 folgen. Zumindest wird das erwartet. Der Anstieg könnte, so der Wunsch vieler Sparer, in Europa die Zinsen mit nach oben ziehen. Dazu passt, dass Benoît Cœuré, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), jüngst darauf hinwies, dass sich doch alle "Wirtschaftsakteure" tunlichst auf höhere Zinsen einstellen sollten. Sollten sie?

Natürlich! Ich persönlich halte es für keine gute Strategie, sich als Schuldner, ganz gleich, ob Staat oder Privatmann, darauf zu verlassen, dass es Kredite dauerhaft zum Nulltarif gibt. Das wäre schlicht fahrlässig. Heißt das, ich gehe davon aus, dass der Zins schon bald wieder (deutlich) zulegt? Nein, das heißt es nicht. Ich würde stattdessen behaupten, dass das globale Zinsniveau noch sehr lange niedrig bleibt; eine Zinswende, die den Namen verdient, wird es nicht geben - und dafür gibt es gewichtige Gründe.

Bleiben wir zunächst in den USA. Dort versucht die Notenbank Fed, ihre Geldpolitik zu normalisieren; in Trippelschritten hebt sie den Leitzins an. Allzu weit nach oben dürfte ihr Weg aber nicht führen. Fed-Präsidentin Janet Yellen sagte jüngst bei einer Pressekonferenz, dass sie den Leitzins angesichts der nach wie vor bestehenden konjunkturellen Risiken nur sehr behutsam anheben könne. Zinsniveaus aus der Vor-Finanzkrisen-Zeit werde es allzu bald nicht geben. US-Präsident Donald Trump, im Wahlkampf noch großer Kritiker der Niedrigzinsen, sagte in einem Interview mit dem 'Wall Street Journal', dass er die Niedrigzinspolitik der amerikanischen Notenbank sehr möge.

Die EZB schränkt den Handlungsspielraum der amerikanischen Notenbank zusätzlich ein, indem sie an ihrer Nullzinspolitik festhält - und zwar aus folgendem Grund: Je größer der Zinsvorsprung von US-Dollaranleihen gegenüber Euro-Papieren, umso attraktiver sind US-Anleihen für ausländische Anleihe-Investoren. Mit ihren Käufen treiben sie den Dollarkurs weiter in die Höhe. Ein zu starker Dollar wird aber irgendwann zu einem Problem für US-Unternehmen, die ihre Waren auf den Weltmärkten teurer anbieten müssen als ihre internationalen Konkurrenten. Schlussendlich leidet die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft.

Dass die EZB in absehbarer Zeit versuchen wird, ihre Niedrigzinspolitik zu beenden, ist wenig wahrscheinlich. Ohne sie wären einige Euro-Mitgliedsländer entweder längst zahlungsunfähig, oder sie hätten die Währungsunion verlassen müssen. Das Problem der EZB ist, dass sich die Schuldenstaaten längst in der Nullzinswelt eingerichtet haben und den Beistand der EZB als gegeben hinnehmen. Notwendige Strukturreformen werden aufgeschoben oder ganz aufgehoben. Der niedrige Zins ist für diese Länder schlicht überlebensnotwendig. Anders ausgedrückt: Die EZB dürfte die Zinsen weiter tief halten, weil sie sie tief halten muss. Andernfalls wäre der Euro am Ende. Ein Ende der EZB-Hilfen scheint kaum noch möglich, ohne Chaos zu verursachen.

Für Sparer bedeutet das: Es lohnt sich nicht, auf deutlich steigende Zinsen zu warten. Nicht in den USA, schon gar nicht in Deutschland.

DER AUTOR IST GRÜNDER UND VORSTAND DER FLOSSBACH VON STORCH AG IN KÖLN.

(RP)
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