Bundesweiter Verkehrsstreik Bahn, Busse und Flughäfen lahmgelegt – Keine Einigung im Tarifstreit in Aussicht

Berlin · Seit Mitternacht stehen Bahnen und Busse still, Flugzeuge sind am Boden geblieben. Derweil deutet sich zum Auftakt der dritten Tarifrunde im Tarifstreit von Bund und Kommunen keine Einigung an. Was in diesem Fall droht.

Warnstreik 27. März: Verkehr in Deutschland lahmgelegt - Fotos
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Warnstreik legt Verkehr in Deutschland lahm

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Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Der Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeugen in Deutschland ist am Montag weitgehend zum Erliegen gekommen. Seit Mitternacht läuft ein großer Warnstreik der Bahngewerkschaft EVG und von Verdi. Von dem 24-stündigen Arbeitskampf sind Millionen Berufspendler und Reisende sowie weite Teile des Güterverkehrs betroffen. Größere Staus im Straßenverkehr über die üblichen Behinderungen im Berufsverkehr hinaus wurden am Morgen nur vereinzelt von der Polizei gemeldet. Teils war von stockendem Verkehr die Rede, aber ohne größere Einschränkungen in Folge des Großstreiks.

Der ADAC berichtete von deutlich mehr Verkehr und Behinderungen auf Autobahnen, ein Chaos sei am Morgen aber ausgeblieben. Rund um die Ballungsräume stocke der Verkehr zwar, „einen Kollaps oder ein Riesenchaos sehen wir aber nicht“, sagte eine Sprecherin. Aus ihrer Sicht haben die frühe Ankündigung und die Berichterstattung womöglich dafür gesorgt, dass viele Menschen sich auf den Warnstreik eingestellt hätten: „Wer kann, ist im Homeoffice geblieben.“

Auf der Schiene ist der Fernverkehr am Montag komplett und der Regionalverkehr zunächst größtenteils eingestellt. Bestreikt werden nahezu sämtliche deutsche Flughäfen. Wasserstraßen und Häfen sowie die Autobahngesellschaft sind ebenfalls betroffen. In sieben Bundesländern wird zudem der öffentliche Nahverkehr bestreikt.

Mit den ganztägigen Warnstreiks wollen die Gewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) den Druck in ihren Tarifverhandlungen erhöhen. Parallel zum Ausstand kommen an diesem Montag Gewerkschaften und Arbeitgeber im öffentlichen Dienst wieder zu Gesprächen zusammen. Bei der EVG stehen weitere Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und anderen Bahnunternehmen erst später an.

Verdi-Chef Frank Werneke betonte: „Mit dem Streiktag im Verkehrsbereich soll den Arbeitgebern noch einmal unmissverständlich klargemacht werden, dass die Beschäftigten eindeutig hinter unseren Forderungen stehen.“ Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, kritisierte, die Tarifpartner hätten sich im vergangenen Jahr schon darauf verständigt, in drei Verhandlungsrunden zueinander zu kommen. „Deswegen erstaunt diese Massivität der Streiks vor der dritten Verhandlungsrunde schon deutlich“, sagte Welge im Radiosender Bayern 2. Sie gehe zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass ein Abschluss gelinge. Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, warnte vor einer Ausweitung der Arbeitskämpfe. Die Deutsche Bahn sprach von einem „übertriebenen Streik“. Gewinner des Tages seien die Mineralölkonzerne.

Bahn:

Die EVG bestreikt den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr. Der Fernverkehr wurde eingestellt, der Regionalverkehr größtenteils zumindest seit Streikbeginn. Ob am Nachmittag im Regionalverkehr einzelne Linien aufgenommen werden, hängt laut Deutscher Bahn vom Streikverlauf ab. Auswirkungen dürften auch am Dienstag zu spüren sein. Auch nicht bestreikte Privatbahnen waren betroffen, weil Beschäftigte in den Stellwerken der DB Netz streikten.

Flughäfen:

380 000 Geschäfts- und Privatreisende müssen laut Flughafenverband ADV am Boden bleiben. Am größten Airport Frankfurt gab es keinen regulären Passagierbetrieb, für Montag waren ursprünglich etwa 1170 Starts und Landungen mit rund 160 000 Passagieren geplant. In München sollten 785 Flüge ausfallen. Zum Flughafen Köln/Bonn hieß es bei Verdi: „Hier ist alles dicht.“ Dort sollten mindestens drei Viertel der Starts und Landungen ausfallen. Auch in Düsseldorf wurden laut Plan Flüge annulliert. In Hamburg wurden alle 147 geplanten Abflüge gestrichen oder hoben ohne Passagiere ab. Für Hannover stand ein stark abgespeckter Flugplan online. In Bremen sollten überhaupt keine Flieger starten. Der Hauptstadtflughafen BER war nicht in den Warnstreik einbezogen. Da aber fast alle anderen Flughäfen bestreikt werden, fielen alle innerdeutschen Flüge weg. Auch in Leipzig/Halle und Dresden sind alle innerdeutschen Flüge gestrichen worden.

Nahverkehr:

Erneut wird der Nahverkehr in den Bundesländern bestreikt, die direkt an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst angebunden sind. Das sind Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Gestreikt wird zudem in Bayern, wo ein Tarifvertrag Nahverkehr verhandelt wird.

Gleich mehrere Tarifkonflikte:

Verdi und der Beamtenbund dbb wollten in Potsdam mit dem Bund und den Kommunen am Montag die Verhandlungen für 2,5 Millionen Beschäftigte wieder aufnehmen. Vor der dritten Runde lagen beide Seiten noch weit auseinander. Bei der EVG stehen weitere Gespräche mit verschiedenen Bahnunternehmen ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiterverhandelt werden. An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes einbezogen, es geht aber auch um örtliche Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie bundesweiten Gespräche für die Luftsicherheit.

Kein neues Arbeitgeberangebot - Erzwingungsstreiks drohen

Zum Auftakt der dritten Tarifrunde deutet sich im Tarifstreit von Bund und Kommunen keine Einigung an. Die Gewerkschaften müssten den Arbeitgebern von ihren hohen Forderungen entgegenkommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag in Potsdam. Die Präsidentin der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge (SPD), kündigte an, die Arbeitgeber würden zunächst kein neues Angebot vorlegen.

Das vorliegende Arbeitgeberangebot finde „keinerlei Akzeptanz bei den Beschäftigten, sagte hingegen der Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke. Es sei „einfach Druck auf dem Kessel“. Eine Tariflaufzeit von 27 Monaten sei „gänzlich inakzeptabel“, die angebotene prozentuale Erhöhung reiche bei weitem nicht aus. Zudem verweigerten die Arbeitgeber einen Mindestbetrag als soziale Komponenten.

Alle Mitglieder seien am Montag dem Warnstreikaufruf gefolgt, sagte Werneke. Vor der dritten Tarifrunde hätten sich bundesweit insgesamt 400.000 Verdi-Mitglieder an Warnstreiks beteiligt - „das ist die größte Warnstreikbeteiligung seit vielen Jahren und Jahrzehnte“.

Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbunds, Ulrich Silberbach, warnte Bund und Kommunen vor unbefristeten Erzwingungsstreiks. Sollte es bei den dreitägigen Tarifverhandlungen in Potsdam keine Einigung geben, stehe der Tarifkonflikt vor einer Schlichtung und bei deren Scheitern vor einem bundesweiten Streik, um die Forderungen durchzusetzen.

Die Zeichen stünden „auf Sturm“, die Antwort der Gewerkschaften werde „hart", sagte Silberbach. Es werde keinen Tarifabschluss geben, der nicht einen deutlichen Inflationsausgleich vorsehe und die Reallohnverluste vor allem der unteren Lohngruppen ausgleiche.

Faeser setzt auf Tariflösung

Ungeachtet der umfassenden Warnstreiks in Deutschland setzt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf eine baldige Lösung im Tarifstreit um den öffentlichen Dienst. „Viele, auch im öffentlichen Dienst, leiden dieser Tage unter den hohen Energiepreisen, unter der hohen Inflation“, sagte Faeser unmittelbar vor der dritten Verhandlungsrunde für Bund und Kommunen am Montag in Potsdam. „Deswegen ist es auch unsere Aufgabe, gemeinsam einen guten Abschluss zu finden.“ Gleichzeitig zu den Verhandlungen haben Verdi und die Bahngewerkschaft EVG den öffentlichen Verkehr am Montag weitgehend zum Erliegen gebracht.

Faeser sagte, sie habe „viel Verständnis“ dafür, dass sich Reisende über die Einschränkungen im Bahnverkehr ärgerten. Ausdrücklich wies Faeser darauf hin, „dass wir hier nicht über den Bahnabschluss verhandeln und auch nicht mit der EVG verhandeln“. Tatsächlich betrifft der Warnstreik im Verkehr sowohl Tarifverhandlungen, die die EVG mit Bahnunternehmen führt, als auch die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst in Potsdam. Faeser sagte: „Ich weiß, dass das Streikrecht ein Grundrecht ist und jeder hat das Recht, das auch jederzeit zu tun.“ Allerdings solle man darauf achten, dass die Aktivitäten auch passten.

Im öffentlichen Dienst erwarte sie nun Entgegenkommen der Gewerkschaften, sagte Faeser. „Unsere Bediensteten der öffentlichen Verwaltung leisten einen sehr guten Job und deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir diese Woche auch zu einer guten Lösung kommen werden.“ Die dritte Verhandlungsrunde in Potsdam ist bis Mittwoch angesetzt.

(mzu/dpa/AFP)
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