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Gigant in der Wachstumskrise Wenn China wankt, trifft es auch Deutschland

Das Wirtschaftswunderland China kommt nicht auf die Beine. Seit zwei Jahren sinken die Wachstumszahlen, von denen mittlerweile die ganze Weltwirtschaft abhängig ist. Auch deutsche Unternehmen Müssen sich Sorgen machen.

Wachstumskrise: Wenn China wankt, trifft es auch Deutschland
Foto: dpa, Wu Hong

Die Diagnose klingt erschreckend: Wachstum auf Pump, hohe Verschuldung, Instabilität am Finanzmarkt, Überkapazitäten in der Industrie und Lagerbestände auf Rekordniveau. Seit zwei Jahren schon erlebt das einstige "Wirtschaftswunderland" China das langsamste Wachstum seit Ende der 90er Jahre.

Auch 2013 waren es wieder "nur" 7,7 Prozent. Das sind Zahlen, von denen Europa noch nicht einmal träumen kann. Für China bedeuten sie Rückschritt. Besserung ist nicht in Sicht: In diesem Jahr soll es sogar noch weniger werden, da China schmerzhafte Reformen plant. Der Abschwung dürfte auch die deutsche Exportindustrie treffen, wenn China weniger Maschinen und Industrieanlagen kauft.

Deutsche Unternehmen brauchen China

Wirtschaftlich ist China ein Gigant. Im vergangenen Jahr trug das Land bereits mehr als 15 Prozent zum glo­balen Bruttoinlandsprodukt bei. Sein Anteil am globalen Wachstum ist mit etwa einem Drittel noch weitaus größer.

Entsprechend gewaltig sind die Auswirkungen auf den Weltmarkt, wenn der Riese schwächelt. Deutsche Unternehmen verdienen einen Großteil ihres Geldes in China. Laut finanzen.net setzte zuletzt Volkswagen 25 Prozent seiner Autos dort ab, BMW fast 18 Prozent, der Chiphersteller Infineon 16 Prozent. Auch bei Unternehmen wie Adidas, Daimler, Linde, BASF, Siemens oder Bayer liegt den Zahlen zufolge der China-Anteil im Umsatz bei acht bis zehn Prozent.

Die Perspektiven sind wenig verheißungsvoll

Doch die Aussichten sprechen nicht dafür, dass der chinesische Riese in absehbare Zeit wieder in die Nähe von Rekordwachstumsraten wie im Jahr 2007 (14,2 Prozent) erzielt. "Dem chinesischen Entwicklungsmodell, über kreditfinanzierte Investitionen das Wachstum anzukurbeln, geht die Luft aus", sagt der frühere Professor an der Tsinghua Universität, Patrick Chovanec.

Auch die Handlungsmöglichkeiten der neuen Führung schrumpften, erläutert der heutige Chefstratege der US-Anlagenverwaltung Silvercrest. "Es bedarf mehr und mehr Kreditvergabe, doch es kommt immer weniger Wachstum dabei heraus." Die Regierung stecke in einem Dilemma. "Sie muss die Kreditvergabe eindämmen, aber das bedeutet weniger Wachstum."

Erhebliche Risiken am Finanzmarkt

In der zweiten Jahreshälfte wurde der Kredithahn bereits ein wenig zugedreht. Trotzdem nahm die Kreditvergabe über das ganze Jahr um 9,7 Prozent zu. Das Schattenbankenwesen hat einen wachsenden Anteil, was die Risiken am Finanzmarkt noch erhöht. Die rasant steigenden Schulden lokaler Stellen sind so dramatisch, dass sie die Entwicklung gefährden könnten, warnt der Rechnungshof. Im Juni 2013 standen Provinzen, Städte und Kommunen mit 17,9 Billionen Yuan (2 Billionen Euro) in der Kreide. Ende 2010 waren es erst 10,7 Billionen Yuan.

"Das Kreditwesen Chinas hat sich in den vergangenen vier Jahren so schnell ausgeweitet, dass es sogar die Entwicklung in Japan in den 80er Jahren, in Südkorea in den 90er Jahren und in den USA vor 2008 in den Schatten stellt", warnt der ehemalige Präsident der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke, der die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) berät. Angesichts wachsender finanzieller Instabilität hält Wuttke eine große Pleite wie bei der Lehmann-Bank in den USA, die 2008 die globale Finanzkrise auslöste, in China durchaus für möglich.

Experten favorisieren langsameres Wachstums

Hat die neue Führung die Kraft, das Ruder herumzureißen? "Politisch sicher ja, aber hat sie auch das Geld?" fragt Wuttke. Auf ihrer Plenarsitzung im November beschloss das Zentralkomitee "umfassende" Reformen. Der Markt soll eine "entscheidende" Rolle in der Verteilung der Ressourcen bekommen, wozu auch Kapital gehört. Die nötige Liberalisierung der Zinsen würde aber zwangsläufig zu höheren Finanzierungskosten für die Unternehmen führen, was wiederum das Wachstum verlangsamen werde, schreibt die australische ANZ-Bank.

Das langsamere Wachstum werde China langfristig aber gut tun, sind sich die Experten einig. "Es wäre sogar besser, wenn es noch langsamer wäre", sagt Andrew Polk vom US-Forschungsinstitut Conference Board der Nachrichtenagentur dpa. Reformen wären nicht möglich, wenn die Regierung zu den alten, heute überholten Methoden greife und damit gegen die Abschwächung der Konjunktur ankämpfe. Der Abschwung sei strukturell, nicht zyklisch. "Die heutigen Probleme der Wirtschaft resultieren daraus, dass sie zu schnell gewachsen ist."

Auch ausländische Unternehmen müssen sich auf schwierigere Zeiten einstellen, wenn China seine Wirtschaft umkrempelt. "Die Investitionen werden an Dampf verlieren", erwartet Ökonom Chovanec. Auch deutsche Hersteller von Maschinen und schwerem Gerät dürften darunter leiden. "Die Veränderungen, vor denen China steht, werden umwälzend sein", sagt Chovanec voraus. "Es wird ein holpriger Weg, aber es ist gut für China und den Rest der Welt."

(dpa)
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