Wolfsburg VW-Spitze beschwört das "Wir-Gefühl"

Wolfsburg · Vorstandschef Müller gibt sich als Mutmacher, stellt aber wichtige Investitionen infrage.

Knapp 30 Minuten dauert die mit Spannung erwartete Rede des neuen Chefs. Für Matthias Müller ist es nicht irgendein Termin - erstmals spricht der Top-Manager gestern Vormittag hinter verschlossenen Türen zu denjenigen, ohne die er diese Krise nie wird meistern können: zu den Mitarbeitern.

"Wir stehen vor der größten Bewährungsprobe unserer Geschichte. Und dennoch will ich heute vor allem eines: Ich will Ihnen Mut machen", heißt es in Müllers Redetext. Ihm gegenüber stehen mehr als 22.000 besorgte Kollegen vom Band, aus der Verwaltung, aus dem Lager.

Müller kündigt an, alle Investitionen auf den Prüfstand zu stellen. Der finanzielle Schaden durch die Manipulation von Diesel-Emissionswerten sei riesig und noch gar nicht absehbar, sagt er. Darauf müsse das Unternehmen schnell reagieren: "Ich bin ganz offen: Das wird nicht ohne Schmerzen gehen", kündigt der 62-Jährige an. "Wir müssen massiv sparen, um die Folgen der Krise zu managen." Der Neue an der Spitze scheint den Nerv der Belegschaft getroffen zu haben. "Es wurde Tacheles geredet", sagt eine VW-Mitarbeiterin nach dem Ende der etwa zweistündigen Veranstaltung. Die Stimmung sei "sehr gut" gewesen: "Es ist wichtig, dass wir hinter VW stehen und dass der Vorstand hinter uns steht. Ich habe Vertrauen zu Herrn Müller und zum ganzen Vorstand." Diese Geschlossenheit will Müller erreichen. "Halten Sie weiter zusammen. Wir werden das hier gemeinsam schaffen. Als ein Konzern." Als ein "Team Volkswagen" beschwört Müller das VW-Team.

Auch die IG Metall appelliert ans Wolfsburger Wir-Gefühl - jene emotionale Mélange, die über Jahrzehnte durch zahlreiche Krisen, Erfolge und den Neid von Auswärtigen in der 120.000-Einwohner-Stadt gewachsen ist. Vor der Versammlung verteilt die Gewerkschaft T-Shirts mit einem VW-Logo und der Aufschrift: "Ein Team. Eine Familie". Stolz wird es sogleich übergezogen, auch Betriebsratschef Bernd Osterloh reiht sich in die Reihe der T-Shirt-Träger ein. Unter dem Sakko, versteht sich.

Während also Wolfsburg gestern Geschlossenheit demonstriert, gehen andernorts Kritiker hart mit VW ins Gericht: Bei einer Sitzung des EU-Parlaments in Straßburg fordert etwa Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska "null Toleranz für Betrug". Sie spricht sich für Sanktionen aus, wenn geltende Grenzwerte für Abgase und Treibstoff-Verbrauch nicht eingehalten werden. Die Empörung über "kriminelle Machenschaften" im VW-Konzern zieht sich an diesem Tag durch die meisten Fraktionen. Alles müsse unternommen werden, damit sich so etwas nie mehr wiederhole, heißt es.

(RP)
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