Düsseldorf VW-Kunden tricksen in den USA

Düsseldorf · Wegen des Abgasskandals muss VW in den USA Fahrzeuge zurückkaufen. Besitzer testen die Grenzen aus.

Im Grunde ist der VW Golf schrottreif, aber das sieht Joe Mayer ganz anders. Der US-Amerikaner hat die Türen entfernt, die Rückbank und den Beifahrersitz, sogar die Motorhaube und Teile der Innenverkleidung. Aber das Auto fährt noch. Und deshalb will Mayer, dass VW den Golf, immerhin Baujahr 2010, zurücknimmt.

Denn Mayer ist betrogen worden. Von VW. Genau wie Millionen andere Menschen, denen der Konzern Fahrzeuge mit manipulierter Abgasregelung verkauft hat. In Europa muss der Konzern deshalb Millionen Fahrzeuge zurückrufen, in den USA sogar Autos zurückkaufen. Dazu hat sich VW in einem Vergleich vor Gericht verpflichtet.

Einige Kunden versuchen nun die Grenzen des Richterspruchs auszutesten - denn im Vergleich heißt es, dass Fahrzeug müsse fahrtüchtig sein, also mit der Kraft des Motors gefahren werden können. Doch heißt das, dass alle Teile in den Fahrzeugen sein müssen? Das wollen einige herausfinden. In Online-Foren tauschen sie sich darüber aus, wie man die Fahrzeuge so ausschlachten kann, dass sie ihre Fahrtüchtigkeit nicht verlieren. So weit wie Mayer gehen indes nur die wenigsten. Erfolg dürften sie nicht haben. Aus Sicht von Richter Charles Breyer, der den Fall verhandelte, gehen sie zu weit. Er warnte Auto-Besitzer bereits, die Situation auszunutzen.

In Europa gehen Kunden hingegen leer aus. Entschädigungen wie in den USA will VW nicht zahlen. Der Grund ist einfach: Ein Großteil der weltweit rund zwölf Millionen betroffenen Kunden stammt aus Europa. Eine Entschädigung, so sieht man das bei VW, würde das Unternehmen überfordern - zumal die Rechtslage eine andere sei.

Einige Kunden versuchen daher, auf dem Gerichtsweg eine Lösung herbeizuführen. Überall im Land treffen sich VW-Kunden und Autohäuser vor Gericht, um über die Rückabwicklung von Kaufverträgen zu streiten. Nach Schätzungen der Düsseldorfer Kanzlei Rogert & Ulbrich, die zahlreiche VW-Kunden vertritt, gibt es etwa 5000 Klagen gegen Autohäuser und VW. Ein VW-Sprecher spricht hingegen von einer dreistelligen Zahl von Klagen.

Aus Sicht von Klägeranwälten setzt VW dabei auf eine neue Taktik. Weil zuletzt zahlreiche Urteile zugunsten von VW-Besitzern ausgingen, würden nun zunehmend außergerichtliche Vergleiche geschlossen. "Zielsetzung ist bei der Volkswagen AG, sämtliche Rechtsstreite in die Länge zu ziehen, um nach Möglichkeit vor dem 31. Dezember 2017 weder obergerichtliche noch höchstrichterliche Entscheidungen gegen sich zu kassieren", sagt Rechtsanwalt Tobias Ulbrich. Danach sei nämlich ein Großteil der Gewährleistungsansprüche verjährt. VW bestreitet, dass es eine solche Taktik gibt: "Die Händler haben ein großes Interesse daran, zufriedene Kunden zu haben. Da ist es normal, dass sie überlegen, wie diese Zufriedenheit wiederhergestellt werden kann", sagt ein Sprecher. Wie sie das machen, sei letztlich ihre Entscheidung.

Eine einheitliche Rechtsprechung gibt es noch nicht - nur die Hälfte der Verfahren ging laut einer Auswertung des ADAC bislang zugunsten der Kunden aus. Die Liste mit Stand vom 31. Dezember zählt rund 30 Entscheidungen. Laut VW seien rund 100 Verfahren zum Abschluss gebracht worden. Nur in einem Fünftel der Fälle sei Klagen von Kunden stattgegeben worden.

(frin)
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