Düsseldorf VW hielt Abgasskandal zunächst geheim

Düsseldorf · Der VW-Vorstand wusste von Manipulationen, machte sie aber nicht öffentlich. Stattdessen suchte er hinter den Kulissen eine Lösung. Eine Klageerwiderung der VW-Anwälte zeigt ein eigenartiges Bild: Schuld sind vor allem die anderen.

Der Abgasskandal hat VW in eine tiefe Krise gestürzt - und könnte Millionen an Schadenersatz kosten. Dagegen wehrt sich der Konzern. Wer sich durch die Klageerwiderung arbeitet, mit der Volkswagen die Vorwürfe von Anleger-Anwälten entkräften will, hat schnell das Gefühl: Schuld sind aus Sicht des Konzerns die anderen. Das Dokument, das unserer Redaktion vorliegt, ist knapp 110 Seiten lang. Systematisch wird darin aus Sicht der VW-Anwälte nachgezeichnet, wie es zum Abgas-Skandal kommen konnte. Es geht um zwei Fragen: Wusste der Vorstand frühzeitig Bescheid? Und hätte er Anleger früher informieren müssen?

Natürlich nicht, sagen die Volkswagen-Anwälte der Braunschweiger Kanzlei Göhmann. Hinter den Kulissen habe man mit der US-Umweltbehörde Epa konstruktiv verhandelt. Doch dann habe die Epa die Situation eskalieren lassen. Weil sie den Vorfall publik gemacht und mögliche Bußgelder genannt habe, sei es zu der "Überreaktion an den Kapitalmärkten" gekommen. Die Medien hätten die Zahlen der Behörde "ohne gebotene Differenzierung zur theoretischen Höchststrafe von bis zu 18 Milliarden Dollar" hochgerechnet. Der Vorstand hat sich den Schilderungen zufolge nichts zu Schulden kommen lassen. Ein Schadenersatzanspruch sei demnach unbegründet.

Kläger-Anwälte sehen das natürlich ganz anders: "Die Verteidigungslinie von VW wirkt ziemlich dürftig", sagt Anwalt Thomas Meschede von der Düsseldorfer Kanzlei MZS Rechtsanwälte, die mehr als 100 Aktionäre vertritt: "Wir haben nicht damit gerechnet, dass sich VW im Wesentlichen darauf zurückzieht, die Bedeutung und die Auswirkungen der Abgasmanipulationen in den USA unterschätzt zu haben." Und auch sein Kölner Kollege Daniel Vos, dessen Kanzlei Müller Seidel Vos unter anderem einen britischen Pensionsfonds vertritt, sagt: "Die Klageerwiderung bestätigt im Grunde das, was wir von Anfang an erwartet haben."

Im Klartext: Der Vorstand wusste von den Manipulationen - frühzeitig. Das geben die VW-Anwälte auch zu. Der Vorstand sei im Sommer 2015 informiert worden. Der Vorfall wurde demnach nur geheim gehalten, um die Verhandlungen mit der US-Umweltbehörde EPA nicht zu gefährden. Meschede hält dies für eine Ausrede: "Aus unserer Sicht hätte der VW-Vorstand den Kapitalmarkt ab Mai 2014 informieren müssen, denn ab diesem Zeitpunkt war er über eine Studie der West Virginia University informiert, wonach die von VW angegebenen Abgaswerte unter Fahrbedingungen massiv überschritten wurden."

Die Bundesregierung äußerte sich zurückhaltend. "Wir vertrauen dem Konzern, dass er da lückenlos aufklärt", hieß es im Bundeswirtschaftsministerium. Das Verkehrsressort bekräftigte, Volkswagen arbeite konstruktiv mit der vom Ministerium eingesetzten Untersuchungskommission zusammen.

Die vagen Aussagen passen zum Eindruck, den mancher Kläger-Anwalt von den deutschen Behörden hat. Beim Kraftfahrbundesamt habe er eine massive Verschleppung des Verfahrens erlebt, sagt Vos: "Insgesamt läuft die Aufarbeitung hierzulande zäh. Wir müssen ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Skandals feststellen, dass die deutschen Behörden nicht zur Aufklärung beigetragen haben." Meschede ergänzt: "Die Ermittlungen in den USA werden noch weitere Dinge ans Tageslicht bringen. Von dort kommt enormer Druck. In Deutschland scheint es so zu sein, dass Volkswagen von der Politik geschont wird."

(RP)
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