Wolfsburg Führungswechsel bei Volkswagen

Wolfsburg · Die Eigentümer wollen den Autobauer offenbar massiv umbauen - und beginnen dabei mit dem Führungspersonal. VW-Chef Müller muss angeblich genauso gehen wie Personalchef Blessing. Das könnte erst der Anfang sein.

Es gibt eine Szene, die viel über den Manager Herbert Diess verrät. Sie spielt in Wolfsburg, genauer gesagt bei der Bilanz-Pressekonferenz 2017. Der neunköpfige VW-Vorstand ist auf der Bühne versammelt, aber zunächst redet nur Vorstandschef Matthias Müller. Jeder Manager geht anders mit so einer Situation um, manche starren Löcher in die Luft, andere lesen, nur Herbert Diess sitzt leicht nach vorne gebeugt auf dem Podium und lässt seine Augen immer wieder wachsam durch den Raum wandern.

Der VW-Markenchef steht damals im Fokus, monatelang lieferte er sich einen Schlagabtausch mit dem mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh, der sich gegen den harten Sparkurs des Managers auflehnt. Wer Osterloh gegen sich hat, der hat in Wolfsburg schlechte Karten, mancher spekulierte schon über einen frühzeitigen Abgang von Diess. Doch dieser sagt wenig später: "Ich finde, ich habe eine gute Rückendeckung im Kollegenkreis. Und bei den Anteilseignern nimmt sie eher zu."

Wie sehr, dass zeigte der gestrige Tag. Da teilte der Volkswagen-Konzern in einer etwas kryptischen Nachricht mit, dass man eine "Weiterentwicklung der Führungsstruktur" erwäge, zu der auch eine Veränderung im Amt des Vorstandsvorsitzenden gehören könnte. Viel mehr war offiziell nicht zu erfahren, doch inoffiziell war schnell die Rede davon, dass VW-Chef Müller, trotz eines Vertrags bis 2020, vorzeitig von Diess an der Spitze des Volkswagen-Konzerns abgelöst wird. Bereits am Freitag könnte der Aufsichtsrat die Personalie beschließen, heißt es.

Wer nach den Gründen für diesen Personalwechsel fragt, prallt auf eine Mauer des Schweigens: Weder das Land Niedersachsen, noch der VW-Betriebsrat oder die IG Metall wollten sich zu dem Thema äußern. Die "Bild" berichtet, der Führungswechsel sei von den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, die über die Porsche SE noch immer einen Großteil der VW-Aktien halten, über Monate vorbereitet worden. Das Vorgehen zeuge von einer erheblichen Zerstrittenheit im Aufsichtsrat, sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer, von der Uni Duisburg-Essen.

Mit Herbert Diess würde ein Manager den Konzern übernehmen, der sich in seinen knapp drei Jahren in Wolfsburg nicht nur Freunde gemacht, aber viel Respekt verdient hat. Seit seinem Wechsel von BMW zu Volkswagen hat der 59-Jährige die ertragsschwache Kernmarke auf Profitabilität getrimmt und gleichzeitig den Einstieg in die Elektromobilität eingeleitet. Konflikten ging er dabei nicht aus dem Weg, im Gegenteil: Öffentlich wunderte er sich über den Einfluss der IG Metall in Wolfsburg, wo sogar viele Führungskräfte von VW Mitglied in der Gewerkschaft sind. Und auch mit Osterloh rasselte er immer wieder aneinander. "Wir haben uns auseinandergesetzt und einen gemeinsamen Weg gefunden - im Interesse des Unternehmens", sagte Diess unlängst dem "Handelsblatt". "Er macht einen guten Eindruck", sagt Dudenhöffer angesichts der Erfolge: "Sein Wechsel auf den Chefposten würde gleichzeitig eine Lücke im wichtigsten Bereich reißen."

Gut möglich jedoch, dass der Wechsel an der Spitze nur der Auftakt zu einem größeren Konzernumbau ist. So wird unter anderem auch darüber spekuliert, dass Personalchef Karlheinz Blessing abgelöst werden könnte. Der "Spiegel" berichtet, Nachfolger solle Gunnar Kilian werden, der aktuell Generalsekretär des VW-Konzernbetriebsrates ist - und damit ein Vertrauter von Bernd Osterloh.

Auch über Veränderungen in den Strukturen könnte am Freitag beim Treffen der Aufsichtsräte diskutiert werden. Schon lange steht etwa ein Börsengang der Lkw-Sparte im Raum, zudem wird auch über die internen Strukturen diskutiert. Denn der Großkonzern Volkswagen ist mit seinen vielen Marken oft schwerfällig - während sich die Außenwelt gerade rasant verändert. Auf Themen wie die Elektromobilität muss VW schnell Antworten finden, Müller hatte daher bereits eine große Elektro-Offensive eingeleitet. Auch die Unternehmenskultur wollte der 64-Jährige ändern.

Aus dem Umfeld der Aufseher ist auch zu hören, dass verschiedene Szenarien durchgespielt werden, die Struktur des Konzerns zu ändern. Eines könnte die stärkere Aufteilung des Zwölf-Marken-Konzerns in eine Premiumgruppe mit Audi, Porsche & Co. auf der einen sowie eine Volumengruppe mit VW, Skoda und Seat auf der anderen Seite sein. Solche Überlegungen gab es auch bereits unter Winterkorn.

Vieles ist noch unklar - auch, was aus Müller wird. In der VW-Mitteilung ist lediglich die Rede davon, dass dieser seine grundsätzliche Bereitschaft signalisier habe, an Veränderungen mitzuwirken. Müsste er gehen, geschähe das aber wohl kaum freiwillig. Für einen anderen wäre die Beförderung von Diess ein später Triumph: Ex-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch holte ihn einst, um ihn zum Winterkorn-Nachfolger aufzubauen. Der Plan ging auf - wenn auch anders als gedacht.

(frin)
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