"Steuerzahlergedenktag" Von jetzt an arbeiten Deutsche für sich

Berlin · Der Bund der Steuerzahler hat den 8. Juli zum "Steuerzahlergedenktag" auserkoren: Erst von nun an verdienen die Deutschen Geld für die eigene Tasche. Was im ersten Halbjahr hereinkam, ging für Steuern und Abgaben drauf.

Die Deutschen haben nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler bis gestern nicht für sich selbst, sondern nur für den Staat gearbeitet. Bis zum 8. Juli, dem "Steuerzahler-Gedenktag", hätten die Bürger in diesem Jahr alle ihre Verdienste für Steuern und Sozialabgaben hergeben müssen. Wie im Vorjahr fiel der Gedenktag wieder auf den 8. Juli. 2011 hatte der Steuerzahlerbund den 5. Juli als Steuerzahler-Gedenktag ermittelt. 1960 lag dieser Tag noch im Mai, was zeigt, wie stark die Abgaben-Belastung der Bürger zugenommen hat.

Insgesamt zahlen die Bürger nach den Berechnungen des Verbandes fast 1,1 Billionen Euro an den Fiskus und in die Sozialversicherung. Was der Staat auf der einen Seite an Steuern und Abgaben einnimmt, gibt er auf der anderen Seite auch wieder aus. Der Anteil der staatlichen Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt, die Staatsquote, ist im Verlauf dieser Legislaturperiode allerdings gesunken. Betrug sie 2009 noch gut 48 Prozent, so lag sie im vergangenen Jahr nur noch bei gut 45 Prozent. 2009 war die deutsche Wirtschaftsleistung infolge der Finanzkrise eingebrochen, entsprechend geringer war die Wirtschaftsleistung. Zugleich musste der Staat mehr ausgeben — für Arbeitslosengeld und andere soziale Leistungen sowie für konjunkturstützende Maßnahmen.

Trotz rückläufiger Staatsquote in den vergangenen vier Jahren ist der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, enttäuscht über die Finanzpolitik der schwarz-gelben Koalition. Die Steuer- und Abgabenquote, der Anteil von Steuern und Abgaben am Volkseinkommen, liege heute mit 51,6 Prozent genauso hoch wie zu Beginn der Legislaturperiode. "Das Wahlversprechen von CDU/CSU und FDP, die Steuer- und Beitragszahler deutlich zu entlasten, ist damit nicht erreicht worden", moniert Holznagel. Zwar ist die Abgabenbelastung gesunken, jedoch stieg die Steuerbelastung im gleichen Maße, so dass die Gesamtbelastung so hoch blieb wie vor vier Jahren. "CDU/CSU und FDP haben es nicht geschafft, die Einkommensbelastung zu senken. Beim Thema Steuern hat die Koalition viel versprochen, aber wenig realisieren können."

Der Versuch der Koalition, die Bürger über einen Abbau der kalten Progression zu entlasten, war allerdings am Widerstand der rot-grün-regierten Länder im Bundesrat gescheitert. Als kalte Progression bezeichnen Experten, dass die Einkommensteuerbelastung automatisch überproportional steigt, wenn der Steuerpflichtige aufgrund von Lohnerhöhungen in höhere Belastungsstufen rutscht. Von einer Lohnsteigerung von 13,3 Prozent innerhalb von vier Jahren kommen laut Steuerzahlerbund aufgrund der kalten Progression nur 10,6 Prozent wirklich beim Arbeitnehmer an.

Abgaben wie etwa die monatliche Rundfunkabgabe von 17,98 Euro hat der Steuerzahlerbund in seine Berechnungen nicht einbezogen. Auch die Ökostrom-Umlage, die Verbraucher für die Förderung von Ökostrom zahlen, sei nicht berücksichtigt. Würden diese Belastungen hinzugerechnet, fiele der Steuerzahler-Gedenktag sogar erst auf den 13. Juli. Nicht nachvollziehen kann der Verband angesichts dieser hohen Belastungen die Forderungen der Oppositionsparteien nach weiteren Steuererhöhungen.

(mar)
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