Gastbeitrag: Forscher warnen vor Preisbremse mit der Gießkanne „Viele Firmen können die Mehrkosten weiterreichen“

Meinung · Zwei Ökonomen warnen vor Preisbremsen für Firmen mit der Gießkanne. Viele könnten die Preise weitergeben oder sich anpassen: „Wenn Brot dauerhaft teurer wird, ist eine Unterstützung der Haushalte erforderlich, aber nicht der Bäckereien.“

Bäckereien sind energieintensiv.

Bäckereien sind energieintensiv.

Foto: dpa/Fabian Sommer

Die Regierungskommission Gas und Wärme hat ihre Empfehlungen für eine Gaspreisbremse vorgelegt. Erwartungsgemäß hat die vorgeschlagene Unterstützung der Haushalte für eine lebhafte Diskussion gesorgt, ob ausreichend Anreize zum Gassparen bestehen (was zutrifft, wenn das Programm richtig kommuniziert wird) und ob eine Förderung mit der Gießkanne stattfinde (was wegen der Zeitnot und der Nicht-Verfügbarkeit adäquater Daten weitgehend unvermeidbar war).

Hinsichtlich der Förderung der Unternehmen ist die Aufregung geringer: Eine der drei Vorsitzenden der Kommission, Veronika Grimm, wird im „Handelsblatt“ dazu zitiert, dass sie sich zunächst nicht habe vorstellen können, „eine so breite Preisbremse für die Industrie zu erarbeiten und mitzutragen. Denn es gibt viele Unternehmen, die mit den Preissteigerungen zurechtkommen könnten, etwa weil sie ihre Preise erhöhen können.“ Aber auch hier war es aus Zeit- und vermutlich auch Datenmangel „nicht möglich, zwischen existenzbedrohten Unternehmen und denen, die das nicht sind, zu unterscheiden.“

In dieser Hinsicht – fehlender Datenzugang – ist die Situation bei Unternehmen ähnlich wie bei Haushalten. Ansonsten gibt es deutliche Unterschiede. So hat zumindest ein Teil der Unternehmen die Möglichkeit, die Preise für ihre Produkte zu erhöhen, und damit die Mehrkosten, die durch höhere Energiepreise entstehen, weiterzureichen. Auch können viele Unternehmen, sofern sie eine langfristig überzeugende Strategie für die kurzfristig notwendige Umstellung haben, externe Mittel am Kapitalmarkt oder bei Banken aufzunehmen. Und schließlich ist es durchaus möglich, dass Unternehmen ihre Produktion zurückfahren und im Extremfall sogar aus dem Markt ausscheiden, und später durch andere Firmen ersetzt werden, die durch ihre Produktions- oder Produktstruktur besser auf die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eingestellt sind. Betrachtet man den unmittelbaren Gaseinsparbedarf und die mittelfristige Transformationsnotwendigkeit weg von den fossilen Energien, kann dies auch volkswirtschaftlich sinnvoll sein. All dies trifft auf Haushalte nicht zu. Daher muss die Begründung für die Förderung der Unternehmen anderen Kriterien folgen, als dies bei den Haushalten der Fall ist. „Wirksamer Schutz vor finanzieller Überforderung“, explizit von der Kommission als Ziel postuliert, trifft als allgemeines Ziel nur auf die Haushalte zu. Auch andere Ziele, wie eine „schnelle Entlastungswirkung“, „klare Einsparanreize“, und die „Stabilisierung der Volkswirtschaft und des Preisniveaus“ sind als Begründungen für ein Rettungsprogramm für Unternehmen nicht oder nur indirekt geeignet.

Bei einer Förderung der Unternehmen in der gegenwärtigen Krise geht es zum einen darum, Liquiditätsprobleme zu mildern, um sogenannte „ineffiziente Insolvenzen“ zu vermeiden. Dies betrifft Unternehmen, die kurzfristig in Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind, deren zukünftige (erwartete) Gewinne aber insgesamt positiv sind. Diese Form der Förderung ist aus der Finanz- und der Coronakrise wohl bekannt und Erfahrungen aus dem damaligen erfolgreichen Gebrauch der Instrumente wie zum Beispiel dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds oder dem Kreditprogramm der KfW können heute genutzt werden. Neue Instrumente sind dafür nicht nötig.

Anders als in der Coronakrise verlangt der durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiepreisschock allerdings kurzfristige Maßnahmen, die im Einklang mit dem mittel- und langfristig notwendigen Umbau der deutschen Wirtschaftsstruktur stehen. Es stellt sich hier also strukturell die Frage, welche Produktionsverlagerungen, -umstellungen und -einstellungen durch Förderprogramme gebremst werden sollten, und welche akzeptiert werden müssen.

Zur Beantwortung dieser Frage können die folgenden ökonomischen Einsichten beitragen.

Wie erwähnt, haben viele Unternehmen die Möglichkeit, Preise zu erhöhen und damit die Mehrkosten weiterzureichen. Dies ist nicht immer möglich, da der jetzige Energiepreisschock die gesamte Gesellschaft ärmer macht, also insgesamt die Kaufkraft und die Konsumbereitschaft senkt. Aber es ist in vielen Fällen zumindest teilweise möglich, insbesondere wenn die Firmen keinem oder nur geringem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Ein Beispiel hierfür sind die viel zitierten lokalen Bäckereien. Wenn Brot dann dauerhaft teurer wird, ist gesamtwirtschaftlich eine entsprechende Unterstützung der bedürftigen privaten Haushalte erforderlich, aber nicht der Bäckereien. Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, fällt eine solche Weitergabe der höheren Kosten schwerer.

Man wird dennoch nicht darum herumkommen, in Anbetracht der angespannten Gaslage einen gewissen Produktionsrückgang in Kauf zu nehmen, idealerweise dort, wo die Wertschöpfung gering ist. Diese Differenzierung ist bereits in den Unternehmen zu beobachten: Das teure Gas wird dort eingesetzt, wo es die höchste Wertschöpfung generiert, während Bereiche mit einem geringen Gewinnbeitrag heruntergefahren werden. Die Gaspreisbremse sollte diese notwendigen Einsparungen im Gasverbrauch nicht konterkarieren.

Weil die jetzt sehr kurzfristig notwendigen Umstellungsinvestitionen großteils auch mittel- und langfristig aus Klimagründen notwendig sind, kommt dem Kapitalmarkt eine besondere Bedeutung zu. Mittlere und größere Unternehmen, die langfristig unter den Bedingungen der europäischen Klimaziele profitabel arbeiten können, sollten sich am Kapitalmarkt weitgehend eigenständig refinanzieren können, um die anstehende Transformation zu bewältigen. Hier ist allenfalls eine Überbrückungshilfe aus öffentlichen Mitteln notwendig, die überdies nur dann gezahlt werden sollte, wenn zunächst das Eigenkapital der betroffenen Firmen hinreichend in Anspruch genommen worden ist. Eigenkapital hat eine Firma nicht nur zur Generierung von Gewinnen in guten Zeiten, sondern auch zur Abfederung von Verlusten in schlechten Zeiten und als Puffer für Investitionen in Zeiten angespannter Liquidität. Die Unterstützung von kleineren Firmen durch staatliche Hilfen oder durch privates Fremdkapital kann und sollte durch ihre Banken erfolgen, so wie es das Corona-Hilfsprogramm der KfW erfolgreich vorgemacht hat. Und Hausbanken kennen sogar die IBAN-Nummer ihrer Kunden.

Dieser strukturelle Blick auf die Firmenlandschaft in Deutschland darf allerdings nicht übersehen, dass ein Großteil dieser Firmen sehr klein ist. 2020 hatten knapp 3 Millionen Firmen hierzulande weniger als 10 Angestellte, wovon der Großteil null bis zwei Mitarbeiter hat. Eine allgemeine Gaspreisbremse für diese Kleinstunternehmen hat auch eine sozialpolitische Funktion. Eine besondere Berücksichtigung dieses Adressatenkreises kann durch eine Deckelung der Fördersumme pro Unternehmen erreicht werden.

Die Kommission Gas und Wärme muss in kurzer Zeit umsetzbare Vorschläge präsentieren – eine Herkulesaufgabe. Diese Empfehlungen müssen dann im politischen Prozess verarbeitet und umgesetzt werden. Die Förderung mit der Gießkanne, bzw. eine „so breite Preisbremse für die Industrie“, sollte nicht das letzte Wort bleiben.

(Achim Wambach ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Ernst-Ludwig von Thadden Professor an der Uni Mannheim.)
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