EU-Pläne vorgestellt Viel Kritik am Klimapaket für Europa

Berlin/Brüssel/Düsseldorf · Die Europäische Union will die Treibhausgase bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent senken. Ein ambitionierter Plan, der auch viel Widerstand auslöst. Vor allem die Industrie kritisiert Brüssel.

 Kommissionschefin Ursula von der Leyen (M.) und der EU-Kommissar für den Green Deal, Frans Timmermans (l.), stellen die Pläne vor.

Kommissionschefin Ursula von der Leyen (M.) und der EU-Kommissar für den Green Deal, Frans Timmermans (l.), stellen die Pläne vor.

Foto: AP/Valeria Mongelli

Noch 14 Jahre lang Verbrennungsmotoren aus der europäischen Automobilindustrie, eine europaweite Pflicht zum Kauf von CO2-Verschmutzungsrechten für Benzin, Heizöl und Gas, im Gegenzug eine CO2-Steuer bei Importen, die energieintensive Industriebereiche in Deutschland vor ungleichem Wettbewerb schützen soll – das sind die Kernpunkte des Klimapakets, das die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel präsentiert hat.

Zu dem Plan gehört, dass der europäische Emissionshandel für Verkehr und Wohnen eine Neuauflage erfährt. Beim Handel mit Verschmutzungsrechten, wie er schon seit Mitte der 2000er-Jahre existiert, müssen derzeit viele Industriefirmen und Fluggesellschaften Zertifikate kaufen, mit denen sie sich die Erlaubnis holen, CO2 auszustoßen. Sie können auch damit handeln. Je knapper das Angebot, desto größer der Anreiz, klimafreundlicher zu arbeiten.

Das Paket wird auf jeden Fall eines, das Verbraucher zu spüren bekommen. Denn das Autofahren und das Heizen werden absehbar teurer werden. Das soll den Umstieg auf schadstofffreie Autos und umweltfreundliche Heizungen beschleunigen. Um einen sozialen Ausgleich für steigende Kosten bei Mobilität und Energie zu schaffen, schlägt die Kommission einen Klimasozialfonds vor. „Unser Paket soll Emissionsreduzierung bewirken in Verbindung mit Umweltschutz“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Dabei stünden „Arbeitsplätze und Sozialverträglichkeit im Mittelpunkt“. Auch die Mitarbeiter in der Autobranche sandten Hilferufe gen Brüssel. Die IG Metall forderte staatliche Unterstützung für den Umbau der Standorte und die Weiterbildung der Beschäftigten.

Ansonsten gibt es viel Kritik aus der Wirtschaft an den EU-Plänen. „Mit ‚Fit for 55‘ hat die EU-Kommission ein ehrgeiziges Klimaschutzprogramm vorgeschlagen. Blickt man auf die aktuellen Klimaphänomene auch direkt vor unserer Haustür, ist das durchaus nachvollziehbar. Aber: Die Wirtschaft sollte nicht ausbaden müssen, was die Politik viel zu lange verschlafen hat“, sagte Marion Hörsken, Geschäftsführerin Branchenbetreuung der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Die Region Düsseldorf und der Rhein-Ruhr-Raum seien energie- und emissionsintensiv mit Branchen wie Stahl, Aluminium und Zement und weltweit führenden industriellen Produktionsstätten. Für diese sei ein Ausgleich im Hinblick auf steigende CO2-Preise ebenso erforderlich wie Anreize, „um klimaschonende Produktionsprozesse noch schneller umsetzen zu können“.

Andreas Ehlert, Präsident des Unternehmerverbands Handwerk NRW, mahnte verlässliche Rahmenbedingungen an. „Hierzu zählen insbesondere ein innovations- und technologieoffener Wettbewerb, der Abbau von bürokratischen Hindernissen und vor allem Planungssicherheit für unsere Betriebe“, sagte Ehlert.

Auch von der Lufthansa gab es Kritik. „Mehr Ambition beim Klimaschutz sowie eine CO2-Bepreisung sind richtig. Aber der global agierende Luftverkehr braucht Regulierungen, die gleichzeitig fairen Wettbewerb sichern. Dem tragen die EU-Pläne zu wenig Rechnung“, erklärte eine Sprecherin. Alle vorgeschlagenen Maßnahmen führten ohne Ausgleichsinstrumente zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für europäische Airlines. Der Energiekonzern Eon reagierte positiv: „Wir sehen uns mit unseren rund 1,4 Millionen Kilometern Stromnetz durch Europa und mit unseren Energielösungen für 50 Millionen Europäer als die Plattform der grünen Energiewende auf unserem Kontinent.“ Für Eon böten sich entlang der grünen Wertschöpfungsketten große Wachstums­chancen.

Aus der Wissenschaft wurden Forderungen laut. Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nannte das EU-Ziel der 55-Prozent-Reduktion der Emissionen bis 2030 zwar ambitioniert, „aber immer noch nicht ausreichend, um auf den mit dem Pariser Klimaabkommen kompatiblen Pfad zu kommen“. Laut Kemfert wäre dazu eine Emissionsminderung von mindestens 60 Prozent notwendig. Auch mit Blick auf die Ausbauziele für erneuerbare Energien sprach die DIW-Ökonomin von einer „Ambitions- und Umsetzungslücke“.

Der sächsische Ministerpräsidenten Michael Kretschmer warnte vor zu großen Ambitionen. „Wir dürfen uns keine extremen Klimaziele setzen, die am Ende die Innovationen nur verhindern würden“, sagte Kretschmer unserer Redaktion. Die CO2-Bepreisung werde in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen, sie sorge für einen „Wettbewerb um den kostengünstigsten Weg der CO2-Vermeidung“, so der CDU-Politiker. „Das funktioniert aber nur, wenn man den Regulierungsrahmen so frei ausgestaltet, dass dieser Wettbewerb auch stattfinden kann.“

Der Vizevorsitzende der SPD-Fraktion, Matthias Miersch, verwies auf das deutsche Klimaschutzgesetz, womit ein rechtsverbindlicher Weg eingeschlagen werden könnte. „Entscheidend ist dafür, dass jenseits von Zieldiskussionen vor allem im Bereich von Mobilität und Gebäude schnell gehandelt wird und wir vor allem den maximalen Ausbau der Erneuerbaren Energien hinbekommen“, betonte Miersch. Dabei kritisierte der SPD-Politiker den Koalitionspartner: „Gerade bei den Erneuerbare könnten wir wesentlich weiter sein, hätte die Union dem Ausbau nicht immer wieder Steine in den Weg gelegt.“

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