Einigung nach zähem Tarifgeschacher Verdi-Chef Bsirskes letzter Streich

Potsdam · Der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst der Länder lässt alle Beteiligten aufatmen. Und für den Verdi-Chef Frank Bsirske war es der letzte Kampf um Prozente.

 Frank Bsirske nach der Einigung in den Tarifverhandlungen.

Frank Bsirske nach der Einigung in den Tarifverhandlungen.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Am Ende gab es in der Bundestarifkommission von Verdi hinter verschlossenen Türen Applaus - für den Abschluss im öffentlichen Dienst der Länder und auch für Frank Bsirske persönlich. Es waren die letzten Tarifverhandlungen von Mister Verdi, im Herbst geht Bsirske in Rente. Als Abschiedsgeschenk bekommen die eine Million Landesangestellte ein achtprozentiges Lohnplus - was allerdings weniger wuchtig ist, als es sich anhört.

Denn 33 Monate lang soll die Tarifeinigung halten - zunächst und im nächsten Jahr sind es jeweils 3,2 Prozent mehr, dann noch einmal 1,4 Prozent. „Aus unserer Sicht ein fairer Tarifabschluss“, konnte der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), sagen.

Alle Seiten sind erleichtert - auch weil tagelange zähe Verhandlungen überhaupt mit einem Abschluss endeten. Über Stunden hakte es allein deshalb, weil die Berechnungen so kompliziert waren und sich sogar immer wieder Rechenfehler einschlichen.

Bsirske und Co. müssen zudem ihre Drohung mit einer Streikeskalation nicht wahrmachen. Im öffentlichen Dienst der Länder können Ausstände auch nicht zu so machtvollen Kraftdemonstrationen anwachsen wie bei den Kommunen, bei denen etwa der Nahverkehr und die Müllabfuhr bestreikt werden können.

Auch Kollatz hatte Grund zur Erleichterung - musste er in den Reihen der Länder doch hart kämpfen für seine Verhandlungslinie und den doch recht teuren Abschluss. Mit mehr als sieben Milliarden Euro schlägt das Ergebnis zu Buche. Mehrere CDU-Finanzminister aus Flächenstaaten hielten mit ihrer Skepsis gegenüber den Zwischenergebnissen des SPD-Manns aus Berlin, der den TdL-Vorsitz turnusgemäß übernommen hatte, nicht hinterm Berg. Zwar erzielte Kollatz am Ende die erforderliche 60-prozentige Mehrheit für den Abschluss in der TdL-Mitgliederversammlung, aber alle konnte er nicht überzeugen.

Was Verdi und der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, vor allem auf der Habenseite verbuchen konnten, waren Verbesserungen für bestimmte Gruppen. Oder, wie Bsirske sagte: „Dazu gibt es, ich will mal sagen, spektakuläre Attraktivitätsverbesserungen für einzelne Berufsgruppen.“ So bekommen Krankenschwestern und -pfleger deutlich mehr. Für sie gelten - wie auch für den Sozial- und Erziehungsdienst - künftig die besseren Gehaltstabellen der Kommunen. Und zusätzlich zur regulären Erhöhung gibt es in der Krankenpflege noch einmal 120 Euro pro Monat mehr. Oder, wie Verdi stolz betont: Examinierte Pflegekräfte erhalten - rückwirkend zum 1. Januar - bis zu 380 Euro brutto mehr im Monat.

Doch es gelang nicht der von den Gewerkschaften erhoffte ganz große Wurf: eine grundlegende Neuordnung und Verbesserung der hochkomplizierten Entgeltordnung für quasi alle Beschäftigten. So gibt es für IT-Spezialisten erst 2021 eine deutliche reguläre Besserstellung. Bis dahin wollen die Länder im Wettbewerb um diese gesuchten Fachkräfte weiter vor allem mit Zulagen punkten, was den für den Flächentarifvertrag kämpfenden Gewerkschaften gar nicht gefällt. „Hier hätten wir einen deutlicheren Schritt in unsere Richtung erwartet“, meint dbb-Chef Ulrich Silberbach.

Auch die Lehrer sind nicht nur glücklich mit dem Ergebnis. Zwar gilt die reguläre Erhöhung natürlich auch für sie, und eine Zulage wird um 75 auf 105 Euro erhöht. Doch nicht durchsetzen konnten die Gewerkschaften ihre Forderung, die Gehaltstabelle der angestellten Lehrer komplett an das Niveau ihrer verbeamteten Kollegen anzugleichen. Die Chefin der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe, mahnte nach dem Ende der Verhandlungen: „Unser Beruf muss attraktiver werden. Der Lehrkräftemangel ist jetzt schon ganz erheblich.“

Bsirske und Silberbach hatten aber auch noch einen Grund zur Erleichterung. Die Länderforderung, viele Beschäftigte quasi handstreichartig schlechter eingruppieren zu können, ist so gut wie vom Tisch. Dabei geht es darum, ob künftig anspruchsvolle Teile ihrer Arbeit nicht mehr zu einem „Arbeitsvorgang“ zusammengefasst werden sollen. Diese Praxis führt die Beschäftigten heute oft in höhere Lohngruppen. Hier rangen die Arbeitgeber den Gewerkschaften lediglich eine Zusage ab, darüber noch einmal reden zu wollen.

Zuerst geht es jetzt aber noch einmal für die Beamten weiter. Denn übertragen werden soll der Abschluss auf rund 2,3 Millionen Beamte und Versorgungsempfänger. Das ist zwar üblich, aber zumindest dabei, wie die Übertragung der einzelnen Bestandteile genau aussieht, haben die Länder durchaus noch Spielraum.

(dpa)
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