Vorstoß von IG-Metall-Chef Wetzel Verbot von E-Mails nach Feierabend?

Düsseldorf · Der neue IG-Metall-Chef Detlef Wetzel fordert eine gesetzliche Regelung, die berufliche E-Mails und SMS nach Feierabend einschränkt. Bislang gibt es das nicht. Interne Richtlinien könnten aber schon helfen.

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Foto: gms

Nach Feierabend noch E-Mails vom Chef, am Wochenende dann eine SMS — viele Arbeitnehmer verfolgt der Job bis in die eigenen vier Wände und in ihre Freizeit. Ginge es nach dem neuen IG-Metall-Chef Detlef Wetzel, würden derlei Auswüchse, die die ständige Erreichbarkeit mit sich bringt, per Gesetz verboten. "Die Digitalisierung darf nicht dazu führen, dass Arbeitnehmer rund um die Uhr erreichbar sind", sagte Wetzel der "Bild"-Zeitung. "Die neue Koalition muss hier strenge Regeln gegen Stress im Job und zu Hause vereinbaren."

Bislang gibt es derlei Regelungen nicht. Daher sei die ständige Erreichbarkeit auch kein Muss, so der Mönchengladbacher Arbeitsrechtler Klaus Wittmann. Trotzdem gab jeder dritte Beschäftigte in einer repräsentativen Befragung des IT-Branchenverbands Bitkom an, jederzeit für den Arbeitgeber erreichbar zu sein. Seine E-Mails kontrolliert nach der Arbeit immerhin noch ein Viertel. Die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitsalltag verschwimmen durch technische Neuerungen wie Smartphones, mit denen man überall seine E-Mails abrufen kann, immer mehr.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin warnt jedoch vor der permanenten Erreichbarkeit, da diese zu einer Beeinträchtigung des Privatlebens führen könne. Im schlimmsten Fall könne sie sogar ein Gesundheitsrisiko darstellen.

Roman Soucek vom Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpsychologie der Universität Erlangen-Nürnberg bezweifelt jedoch, dass eine gesetzliche Regelung Sinn machen würde. Er hat in Unternehmen eine Untersuchung zum Thema Informationsflut durchgeführt und glaubt, dass es effektiver ist, wenn die Unternehmen das Problem intern angehen. "In vielen Firmen gibt es Richtlinien zum Thema interne E-Mail-Kommunikation — doch die sind meist sehr abstrakt." Sie regeln oft technische und rechtliche Aspekte wie die Größe von Anhängen, den Umgang mit vertraulichen Daten und wie lange E-Mails gespeichert werden sollen.

Soucek empfiehlt, auf Ebene der Abteilungen abzusprechen, in welchem Zeitraum man auf eine E-Mail oder SMS zu reagieren hat. "In einigen Bereichen sind schnelle Antworten erforderlich, in anderen kann man sich einen Tag Zeit lassen." Ein allgemeines Gesetz würde den unterschiedlichen Anforderungen der Realität nicht gerecht.

Darauf weist auch Arbeitsrechtler Wittmann hin. Denn je nach Berufsgruppe gelten schon jetzt unterschiedliche Regelungen. So müssten beispielsweise Hebammen oder Arbeitnehmer mit Bereitschaft im Notfall erreichbar sein. "Sonst droht eine Abmahnung", sagt Wittmann. Andere Arbeitnehmer könnten den Anruf des Chefs hingegen nach Feierabend oder am Wochenende ignorieren, wenn es keine anderslautenden Vereinbarungen gibt. Anrufe nach Feierabend seien zwar im Notfall gerechtfertigt — ruft der Chef aber wegen Lappalien an, gibt es Klärungsbedarf.

Einige Unternehmen haben die Problematik der ständigen Erreichbarkeit bereits erkannt. Bei der Telekom haben sich leitende Angestellten verpflichtet, Mitarbeitern in ihrer Freizeit keine Mails zu schicken. Vorreiter war der Autobauer VW. Hier hat der Betriebsrat bereits 2011 eine Vereinbarung durchgesetzt, wonach die Mail-Funktion für Blackberry-Geräte nach Feierabend abgeschaltet wird. 3500 Mitarbeiter bleiben seitdem in ihrer Freizeit von Arbeitsmails verschont.

(RP)
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