Düsseldorf Urteil zu Netzen: Strom wird teurer

Düsseldorf · Das Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Netzagentur den Wert der Strom- und Gasnetze falsch berechnet hat. Nun dürfen Netzbetreiber mehr Geld für die Durchleitung von Strom und Gas verlangen. Es geht um Milliarden.

Auf die Verbraucher in Deutschland kommt eine Welle von Strom- und Gaspreis-Erhöhungen zu. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat gestern entschieden, dass die Bundesnetzagentur den Wert der deutschen Strom- und Gasnetze seit Jahren falsch berechnet. Die Netze seien mehr wert, als die Behörde ermittelt habe, urteilten die Richter. Deshalb dürfen die Netzbetreiber auch mehr Geld für die Durchleitung von Strom und Gas von den Versorgern verlangen, die diese Netzkosten an die Endverbraucher weitergeben.

Der Vorsitzende Richter Wiegand Laubenstein betonte, das Urteil habe "erhebliche Bedeutung". Zum einen verpflichtet es die Netzagentur, den Wert der Netze rückwirkend bis zum Jahr 2006 neu zu berechnen. Dadurch könnte eine Nachzahlung von bis zu einer Milliarde Euro fällig werden, heißt es in der Branche. Das würde eine Erhöhung des Strompreises von 0,2 Cent pro Kilowattstunde bedeuten, erklärte die Verbraucherzentrale. 2011 kostete eine Kilowattstunde rund 26 Cent. Zum anderen muss die Netzagentur die neue Berechnungsmethode auch künftig anwenden. Entsprechend stark dürften auf Dauer die Netzentgelte und damit auch die Strompreise steigen. Hinzu kommt der Preisanstieg, der zur Finanzierung des Netzausbaus im Zuge der Energiewende fällig wird.

Allerdings hat die Bundesnetzagentur noch einen Monat Zeit, um gegen das Urteil Beschwerde beim Bundesgerichtshof einzulegen. Die Netzagentur kündigte gestern an, erst einmal die Urteilsbegründung genau zu prüfen.

"Falls das Urteil rechtskräftig wird, dürften sich die Strompreise auf breiter Front erhöhen", sagte Holger Krawinkel, Energie-Experte der Verbraucherzentralen, unserer Zeitung. Schließlich würden die höheren Netzentgelte für alle Versorger gelten. Dennoch sollten Kunden auch dann prüfen, ob sie nicht zu einem günstigeren Anbieter wechseln können. Denn trotz gleicher Netzentgelte gibt es auch schon jetzt große Preisunterschiede zwischen den Versorgern.

Wenn der Stromanbieter die Preise erhöht, haben private Verbraucher stets ein Sonderkündigungs-Recht. Die Kündigungsfrist steht in den Verträgen, in der Regel sind es vier Wochen. Wer den (teuren) Grundversorgungs-Tarif seines Stadtwerks hat, hat sogar nur eine Kündigungsfrist von zwei Wochen. Die Stromanbieter müssen dafür sorgen, dass der Kunde möglichst schnell zum neuen Versorger wechseln kann.

Der Strompreis in Deutschland setzt sich aus drei Teilen zusammen (Grafik): Der größte Block sind Steuern und Abgaben, die der Staat festlegt und kassiert. Der zweitgrößte Block sind die Kosten (und Gewinne) der Versorger wie etwa der Stadtwerke. Der dritte Block sind die Netzentgelte, die den Netzbetreibern zufließen. Sie machen derzeit 20 Prozent des Strompreises aus. Die Bundesnetzagentur legt seit dem Jahr 2005 Obergrenzen für die Netzengelte fest, um zu verhindern, dass die Netzbetreiber ihre Monopolstellung ausnutzen. Dafür ermittelt die Behörde den Wert der Netze, in den unter anderem die Baukosten eingehen.

Das Gericht kritisiert nun, dass die Netzagentur dabei die mäßige Preis- und Lohnentwicklung im produzierenden Gewerbe zugrunde gelegt hatte und nicht die höhere im Baugewerbe. Dadurch fiel der Wert der Netze geringer aus als zulässig, meinten die Richter.

Die Entscheidung bestätige die Auffassung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), teilte dessen Chefin Hildegard Müller mit. Der BDEW habe bereits 2008 auf erhebliche rechtliche Bedenken hingewiesen.

Insgesamt hatten fast 300 Betreiber von Strom- und Gasnetzen geklagt, die Höchstspannungs-Netze oder die Verteilnetze vor Ort betreiben. Zu ihnen zählen unter anderem Eon Westfalen Weser, Thüga, Amprion (Betreiber des früheren RWE-Höchstspannungs-Netzes) und Tennet (Betreiber des früheren Eon-Netzes). Sie alle können nun höhere Gebühren verlangen.

(RP)
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