Händler in der Krise Warum immer mehr Unverpackt-Läden schließen müssen

Düsseldorf/Köln · Händler mit verpackungsloser Ware leiden besonders unter den Krisen dieser Welt. Für 15 Prozent von ihnen bedeuteten sie schon das Aus – Tendenz steigend.

 Patrizia Paulus wird ihren Unverpacktladen „Tante Pati“ Ende des Jahres schließen.

Patrizia Paulus wird ihren Unverpacktladen „Tante Pati“ Ende des Jahres schließen.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Große Überraschung im Einzelhandel: Die Geschäfte liefen im September deutlich besser als im August. Insgesamt machten die Händler 1,8 Prozent mehr Umsatz – nach Abzug der Inflation waren es 0,9 Prozent. Das hatten selbst führende Ökonomen nicht erwartet. Denn eigentlich ist die Konsumlaune der Deutschen laut des Handelsverbands Deutschland (HDE) auf einem Tiefpunkt angelangt – mutmaßlich wegen der hohen Preise. Letzteres spiegelt sich auch im Geschäft der Lebensmittelhändler wider, insbesondere in Unverpackt-Läden. Die stehen nämlich gerade reihenweise vor dem Aus.

Waren zu Jahresbeginn noch 363 von ihnen im Verband der Unverpackt-Läden organisiert, sind es inzwischen nur noch 316. 47 schlossen 2022 ihre Pforten für immer – das sind rund 15 Prozent. Und es werden wohl noch mehr. Patrizia Paulus etwa macht ihren Laden „Tante Pati“ in Moers Ende des Jahres zu. Die 26-Jährige hatte ihn 2019 eröffnet und war sehr erfolgreich gestartet. Bis Corona kam, baute sie sich eine große Stammkundschaft auf. Sogar aus Krefeld und Rheinberg seien die Menschen zu ihr gekommen, sagt sie. Doch die Pandemie habe sie vorsichtiger gemacht, viele hätten ihren Wocheneinkauf lieber in einem Rutsch im Supermarkt erledigt. „Wir haben in dieser Zeit viele Kunden verloren und sie leider auch nicht wieder zurückholen können“, sagt Paulus. 2021 war ihr Umsatz zwar noch sechsstellig, doch als Russland die Ukraine angriff, brach er endgültig ein – um satte 30 Prozent. Schweren Herzens beschloss Paulus deshalb, den Laden im Dezember zu schließen. „Die Kunden sind sehr traurig“, sagt Paulus. Manche seien überrascht gewesen, aber die meisten hätten mitbekommen, dass es bei „Tante Pati“ ruhig geworden sei.

Auch Silke Gimnich aus Köln kämpft. Sie hat ihren Unverpackt-Laden Silva erst vor zwei Jahren eröffnet und 2021 einen fünfstelligen Umsatz erzielen können. Doch nun laufe es deutlich schlechter, die Kunden kommen seltener und kaufen weniger. „Ich bin mit anderen Unverpackt-Händlern in Köln vernetzt. Und was soll ich sagen? Die Stimmung ist bei allen sehr gedrückt gerade“, sagt Gimnich. Doch auch der Buchladen oder der Kindermodenladen in ihrer Nähe hätten gerade Probleme, sich zu halten. Die Krise beträfe nicht nur die Unverpackt-Branche.

Das betont auch der Verband der Unverpackt-Läden: „Die Verbraucherpreise im Lebensmittelbereich steigen derzeit. Konsument:innen reagieren mit den Strategien Kaufzurückhaltung oder -verzicht bei bestimmten Produktklassen“, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. Sie verweist auf den Konsummonitor des HDE, der besagt, dass 30 Prozent der Verbraucher weniger Bio-Produkte kaufen und 21 Prozent weniger regionale Lebensmittel. Diese Kategorien seien in Unverpacktläden sehr stark vertreten. Zudem würden verstärkt Sonderangebote gekauft – davon profitieren vor allem die Discounter. Ein weiterer Grund liege darin, dass sich die Innenstädte veränderten. In den Einkaufsstraßen werde es immer leerer, viele kauften ihre Waren lieber online ein. „Dies hat indirekt auch Auswirkungen auf das unverpackte Einkaufen, wird es doch oft mit dem Bummel durch die Stadt verbunden“, schreibt die Sprecherin.

Patrizia Paulus kann das bestätigen. Seit der Pandemie seien deutlich weniger Menschen in der Fußgängerzone unterwegs gewesen und so seien Zufallskunden meistens ausgeblieben. „Ich bin sehr traurig, dass ich bald schließen muss. Aber die vergangenen Jahre waren auch sehr kräftezehrend“, sagt sie. Immer wieder habe sie kämpfen müssen und seit ein paar Monaten noch mehr als ohnehin schon.

So geht es auch Silke Gimnich. Sie setzt seit einigen Wochen auf Produkte, die sie von anderen Händlern abheben. So bietet sie Tücher als Geschenkverpackung, Kinderspielzeug oder Weihnachtsgebäck an. „Ich hoffe, das hilft mir, den Laden zu halten“, sagt die Händlerin. Eine Sicherheit habe sie gerade nicht. 

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