Mark Zuckerbergs Mentor Roger McNamee rechnet mit Facebook ab

Einst kaufte Roger McNamee mit seinem Beteiligungsfonds ein Prozent an Facebook. Nun rechnet er in einem aufsehenerregenden Buch mit Facebook-Gründer MArk Zuckerberg und dessen rechter Hand Sheryl Sandberg ab.

 Facebook-Investor Roger McNamee.

Facebook-Investor Roger McNamee.

Foto: dpa/Chris Pizzello/dpa

Zehn Tage vor dem Präsidentschaftsvotum des Novembers 2016 schrieb Roger McNamee eine E-Mail an Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg, den Facebook-Gründer und dessen rechte Hand. Er begann mit den Worten: „Ich bin wirklich traurig über Facebook.“ Bis vor ein paar Monaten, schrieb McNamee, sei er stolz auf die Erfolge des Unternehmens gewesen. „Jetzt bin ich enttäuscht. Es ist mir peinlich. Ich schäme mich.“

Facebook, beobachtete der Investor, spiele eine enorme Rolle im amerikanischen Wahlkampf. Und mithilfe seiner Algorithmen reduziere es die Wortmeldungen, die es für seine Nutzer sortiere, auf eine Art Echokammer. Nach dem Prinzip, dass jeder nur das lesen möge, was ihm gefalle. Dadurch würden die Leute daran gehindert, sich mit Meinungen auseinanderzusetzen, die ihren eigenen widersprächen. Internet-Trolle machten sich dies zunutze, um Unwahrheiten zu verbreiten und Emotionen zu schüren. „Ich will einen Weg finden, um das Facebook-Management zu ermuntern, sozial verantwortlicher zu handeln.“

Roger McNamee, das ist ein Name mit Klang im Silicon Valley. 2004 gründete er mit Geschäftspartnern, unter ihnen Bono, der Sänger von U2, eine Beteiligungsgesellschaft namens Elevation Partners. Die erwarb 2010 für 90 Millionen Dollar ein Prozent der Facebook-Anteile. Ein lukratives Geschäft. Auch McNamee scheffelte ein Vermögen, indem er bei Facebook einstieg.

 Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

Foto: rtr

Als Zuckerberg sein Studium in Harvard abbrach, um an die  Westküste zu ziehen und sich dort mit ganzer Kraft seiner Firma zu widmen, gehörte McNamee zu einem Kreis erfahrener Mentoren, denen er zuhörte.  Als der Aufstrebende, zugleich an sich Zweifelnde zum ersten Mal Rat suchte in McNamees Büro an der Sand Hill Road in Menlo Park, appellierte Letzterer an den Durchhaltewillen. McNamee war 50, Zuckerberg 22. Der Ältere sprach von den Kaufangeboten, die es sicher schon bald für Facebook geben werde, eine Milliarde Dollar von Microsoft oder Yahoo. „Deine Eltern, dein Aufsichtsrat, dein Managementteam, sie alle werden dir sagen, dass du annehmen sollst.“ Er würde nicht verkaufen, riet McNamee, denn Zuckerberg baue gerade die wichtigste Marke seit Google. Facebooks entscheidender Vorteil gegenüber anderen Social-Media-Netzwerken bestehe darin, dass es seine Nutzer dazu anhalte, sich mit ihrer wahren Identität zu erkennen zu geben, statt sich hinter Fantasienamen zu tarnen.

     Später drehte der Investor mit am Rad, als Zuckerberg seine bislang wichtigste Personalentscheidung traf. Es war McNamee, der Sheryl Sandberg, ehemals Chefin des Stabs des Finanzministers Larry Summers, zu Facebook lotste. „Ich mochte Zuck. Ich mochte seine Leute. Ich mochte Facebook.“

McNamee kennt Zuckerberg gut genug, um ihn mit der Kurzform seines Nachnamens ansprechen zu können, amerikanisch leger. „Zucked“, das Wortspiel soll wohl bedeuten, von Zuck auf die falsche Fährte geführt, ihm auf den Leim gegangen zu sein.

In dem Buch schildert er seine eigene Wandlung von einem nur selten grübelnden Technik-Optimisten zu einem Mahner, der verlangt, Facebook deutlich strengeren Regeln zu unterwerfen. Einem Regelwerk, das die Politik aufstellen müsse. Zudem beschreibt er, wie sich Facebook mit aller analytischen Gründlichkeit der Eigenheiten der menschlichen Natur bedient, um daraus Gewinn zu ziehen.

Da wäre zum Beispiel, 2009 eingeführt, der Like-Button (Gefällt mir). Da jeder irgendwie gemocht werden wolle, doziert McNamee, habe man mit dem Gefällt-mir-Button einen Gradmesser sozialer Anerkennung geschaffen. Bald habe so ziemlich jeder Facebook-Nutzer wissen wollen, wie viele Gefällt-mir-Meldungen er pro Eintrag erhalten habe. Allein das habe viele dazu gebracht, mehrmals am Tag nachzuschauen. „Wenn man sich erst dreimal am Tag bei Facebook einloggt, und das über Jahre hinweg, wird aus Gewohnheiten eine Sucht.“ Um vom Anzeigengeschäft leben zu können, müsse der Konzern die Aufmerksamkeit seiner Kunden erst gewinnen und dann halten, möglichst lange. „Und damit du ihnen Aufmerksamkeit schenkst, sprechen sie die ganze Skala der Gefühle an.“ Etwa die Angst. Vor etwas Angst zu haben, sich zu empören, beides gehöre nun mal zu den stärksten menschlichen Emotionen. Wobei die Empörung noch stärker wirke, wenn man sie mit anderen teile. Schließlich, schreibt McNamee, hätten die sozialen Medien salonfähig gemacht, was sozialer Druck früher eingedämmt habe: das Äußern extremer Ansichten.

Zuckerberg, tadelt er, habe diesbezügliche Einwände nie wirklich ernst genommen. Noch immer handle er nach der Maxime, dass sich jedes Problem durch zusätzliche oder bessere Programmierung schon lösen lasse, mit anderen Worten, rein technisch. Räume er Schwächen ein, dann allenfalls unverbindlich: Man sei doch nur eine Plattform und nicht verantwortlich dafür, was Dritte mit dieser Plattform anstellten. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass staatsbürgerliche Verantwortung in Zucks Denken je eine Rolle spielte“, kritisiert Roger McNamee. In eigener Regie, glaubt er, sei Facebook weder willens noch fähig, die Rutschbahn zu beenden. Deshalb plädiere er für eine Intervention des Staates. Normalerweise, fügt er hinzu, begegne er staatlichen Vorschriften mit allergrößter Zurückhaltung. „Doch der anhaltende Schaden für die Demokratie, für die öffentliche Hygiene und den freien Wettbewerb rechtfertigt es, zu außergewöhnlichen Mitteln zu greifen.“

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