Zalando wehrt sich gegen Vorwürfe Schikane, Überwachung und Sitz-Verbot

Eine Undercover-Reporterin erhebt schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen Zalando. Drei Monate arbeitete sie in der Zentrale in Erfurt unter falscher Identität und filmte mit versteckter Kamera. Sie berichtet von Stasi-Methoden, Schikane und unmenschlichen Anforderungen. Zalando will den Vorwürfen nachgehen.

Reporterin filmt bei Zalando mit versteckter Kamera
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Reporterin filmt bei Zalando mit versteckter Kamera

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Die Journalistin Caro Lobig hat drei Monate undercover im Logistikzentrum des Online-Versandhändlers Zalando gearbeitet. Nun geht sie mit ihrem Bericht an die Öffentlichkeit, zeigt Filmmaterial und gibt Interviews. Die Arbeitsbedingungen beschreibt sie als katastrophal und ausbeuterisch.

Ihre Vorwürfe im Einzelnen

Extreme Belastung Lobig arbeitete unter anderem als Picker. Das heißt, sie lief zu Fuß durch die 120.000 Quadratmeter große Lagerhalle mit angeblich 1000 Regalen und 7 Millionen Produkten, um Produkte für Bestellungen einzusammeln. Dabei sei sie täglich "18, 20, einmal bis zu 27 Kilometer" unterwegs gewesen. Abends verspürte sie nur noch restlose Erschöpfung.

Zusätzlich erschwerten ihr Vorgesetzte die Arbeit. Sie habe sich nicht hinsetzen dürfen, auch wenn nichts zu tun war. "Mir wurde gesagt das ist verboten", erzählte sie in einem Interview mit RTL Extra. Begründung des Zalando-Teamleiters: "Wir führen eine stehende und laufende Tätigkeit aus.

Überwachung "Ständig unter Beobachtung, man wird von anderen bespitzelt." Laut Lobig war das das Schlimmste. Demnach herrschte in Erfurt permanenter psychologischer Druck, permanente Überwachung. Elektronisch, indem die elektronischen Picksysteme Ort, Tempo und Verweildauer der Angestellten erfassten. Aber auch durch die Belegschaft. So wie Lobig es erzählt, konnte sich niemand sicher fühlen, nicht im nächsten Augenblick angeschwärzt zu werden, etwa weil er in der Gewerkschaft aktiv war.

Das Ganze hatte offenbar System und blieb nicht auf Einzelfälle beschränkt. "Als einfacher Lagerarbeiter kann man aufsteigen, wenn man seine Kollegen verpetzt", erzählt Lobig. Eine unkenntlich gemachte Kollegin, die sie mit versteckter Kamera filmte, hört man sagen: "Pass auf, schwatz hier niemanden an, das ist gefährlich." Vorgesetzte sollen sich in einfacher Arbeitskleidung unter die Angestellten gemischt haben, um die Arbeitsabläufe zu kontrollieren.

Schikane Zalando entging es offenbar nicht, wenn jemand aus der Reihe tanzte. Lobig erzählt, was ein Mitarbeiter erlebte, nachdem er für 20 Minuten auf der Toilette verschwunden war. Danach habe er sich vor einem Vorgesetzten rechtfertigen müssen. Dabei sei er nur zum WC gegangen, weil er Blasen an den Füßen hatte und die Verbände wechseln wollte.

Auch Lobig wurde enttarnt. Eine Woche, bevor sie ihre Tätigkeit ohnehin beenden wollte, flog ihre Undercover-Recherche auf, weil ihre Kamera entdeckt wurde. Danach wurde sie ins Büro des Chefs zitiert und umgehend gefeuert.

Zalando will Vorwürfen nachgehen

Zalando reagierte auf die Vorwürfe bereits mit einer Mitteilung auf seiner Website: Das Unternehmen verweist darauf, dass sämtliche "Prozesse in Erfurt von Zalando Mitarbeitern entwickelt" worden seien und gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ständig verbessert werden sollen. Außerdem investiere man viel Zeit in Ausbildung und Qualifizierung sowie in regelmäßige Feedbackgespräche. Bei einer Mitarbeiterbefragung im Oktober 2013 hätten 80 Prozent der Angestellten bekundet, stolz auf ihre Mitarbeit bei Zalando zu sein.

Den Vorwürfen will das Unternehmen nun nachgehen und "genau prüfen, in welchen Punkten die Kritik des Berichts zutrifft und ob es sich hierbei um systematische Probleme oder Fehler Einzelner handelt."

Neue Jobs

Mit kritischen Berichten und Klagen über systematische Überwachung hat das Unternehmen freilich schon Erfahrungen. Zuletzt berichtete etwa das Nachrichtenmagazin der Spiegel von unwürdigen Arbeitsbedingungen in Erfurt. TV-Dokumentationen mit ähnlicher Aussage hatten das Unterehmen zuvor schon in die Schlagzeilen gebracht.

Die Arbeitsagentur im Mönchengladbach, wo Zalando ebenfalls ein Zentrum betreibt, spricht hingegen in lobenden Tönen von dem Unternehmen. Die neuen Jobs entstünden in Vollzeit und seien sozialversicherungspflichtig, mit betrieblicher Altersvorsorge, Tarifbezahlung und Zuschüssen zum VRR-Ticket ausgesattet.

Das 2012 in Betrieb genommene Logistikzentrum in Erfurt beschäftigt 2000 Arbeitnehmer und ist damit nach eigenen Angaben größter privater Arbeitgeber der Region. Zudem betreibt das Unternehmen kleinere Versandzentren in Mönchengladbach und Brieselang, Brandenburg.

(pst)
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