Kampf um die Braunkohle NRW fordert zweistelligen Milliardenbetrag für Kohleausstieg

Kerpen/Berlin · Auf Druck der Ost-Länder gibt die Kanzlerin der Kohlekommission mehr Zeit. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart mahnt mehr Hilfe vom Bund an. Umweltverbände und Grüne fordern einen Ausstiegsplan für sofort. RWE räumt derweil unter Polizeischutz den Hambacher Forst.

 NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).

Foto: dpa/dpa, ve sab

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart fordert vom Bund mehr Geld, um die Folgen des Kohleausstiegs zu bewältigen: „Die bislang von der Bundesregierung für den Transformationsprozess in Aussicht gestellten Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro reichen bestenfalls für ein Sofortprogramm für den Strukturwandel aus“, sagte der FDP-Politiker unserer Redaktion. „Für die Gestaltung des nachhaltigen Strukturwandels wie für die Entlastung der energieintensiven Wirtschaft, die Entschädigung der Tagebau- und Kraftwerksbetreiber wie für den Ausbau der Netze und der erneuerbaren Energien werden deutlich höhere Milliardenbeträge in mittlerer zweistelliger Höhe benötigt.“

Dass die Kohlekommission nun bis Januar Zeit bekommt, einen Fahrplan für den Ausstieg vorzulegen, sieht NRW gelassen. „Wir müssen den Strukturwandel vorantreiben, um Wachstum und Beschäftigung im Rheinischen Revier zu sichern. Zweitens müssen wir uns in Nordrhein-Westfalen auf die sichere Versorgung mit bezahlbarer Energie verlassen können. Das ist entscheidend für die Hunderttausenden Beschäftigten in der energieintensiven Industrie. Drittens müssen die Ergebnisse dazu beitragen, dass wir die Klimaschutz-Ziele nachhaltig erreichen“, sagte Pinkwart und betonte: „Für alle drei Ziele haben wir konkrete Vorschläge eingebracht und sehen dafür in der Kommission auch eine positive Aufnahme.“

Nach einer Intervention der Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (Sachsen, CDU), Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU) und Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD) bei Angela Merkel hat die Kanzlerin die Frist der Kommission für die Vorlage ihre Endberichts bis Januar verlängert. Ursprünglich sollte die Kommission nächste Woche ihren Fahrplan für den Kohleausstieg vorlegen - danach soll ein Teil der Kohle-Kraftwerke bis 2022 abgeschaltet werden, der Komplett-Ausstieg voraussichtlich bis 2035/ 2038 erfolgen. Nun wurde eine Verlängerung bis Januar vereinbart. Die Ost-Regierungschefs vermissen bislang konkretere Empfehlungen für die Finanzierung des Strukturwandels in ihren Regionen nach dem Braunkohle-Aus. Haseloff fordert 60 Milliarde Euro an Hilfen für Ost und West. Die Bundesregierung hat bisher nur 1,5 Milliarden fest zugesagt. Mehr Geld kann es nur geben, wenn Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) grünes Licht gibt. Dies dürfte aber noch dauern und ist zudem umstritten.

Umweltverbände wie Greenpeace reagierten empört. Die Grünen im Bundestag fordern eine Entscheidung über den Zeitplan bereits kommende Woche. „Es muss dabei bleiben, dass die Kommission in der nächsten Woche den Fahrplan zum Kohleausstieg verabschiedet“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer unserer Redaktion. „Es ist wichtig, dass Deutschland für die nächste internationale Klimakonferenz in Polen ein deutliches Aufbruchssignal sendet, dass es wieder für einen ambitionierten Klimaschutz steht und damit die Lebensgrundlagen schützen will.“ Wenn die ostdeutschen Ministerpräsidenten länger über Strukturhilfen für die Braunkohleregionen reden wollten, könne man das machen. „Dies darf aber nicht die Entscheidungen verzögern, wie die Klimaschutzziele für das Jahr 2020 noch erreicht werden können und wie es danach weitergeht“, betonte der Grünen-Politiker. Die UN-Klimakonferenz findet vom 3. bis 14. Dezember im polnischen Katowice statt. Aus Kreisen der Kommission wurde bekannt, dass sie trotz der Fristverlängerung kommende Woche ihre Vorfestlegung über den Zeitplan treffen will.

Derweil musste die Polizei zu einem neuen Einsatz im Hambacher Forst ausrücken - wenige Wochen nach der spektakulären Räumung der Baumhäuser. Sie schützte am Donnerstag nach eigenen Angaben RWE-Mitarbeiter, die neu errichtete Hindernisse entfernten. Laut Konzern mussten 450 Dinge an „waldfremdem Material“ wie Barrikaden und Europaletten entfernt werden. Laut Polizei war auch eine Bombenattrappe darunter: Bei einem verdächtigen Gegenstand sei geprüft worden, ob es sich um eine Sprengvorrichtung handele. Mehrere Aktivisten wurden zur Feststellung der Personalien in Gewahrsam genommen, so die Polizei. Im Großen und Ganzen sei der Einsatz friedlich verlaufen. Die Räumung von neuen Baumhäusern und des seit langem bestehenden Wiesencamps war nicht geplant.

Bis Anfang Oktober hatte die Polizei 86 illegal errichtete Baumhäuser geräumt, weil RWE als Eigentümerin des Waldes mit der Rodung für den Tagebau Hambach beginnen wollte. Dann hatte das Oberverwaltungsgericht Münster die Rodung gestoppt. Seither haben Aktivisten neue Barrikaden und Baumhäuser errichtet. Da der Energiekonzern die Verkehrssicherungspflicht für den Wald hat, ließ er diesen nun von Hindernissen befreien. „Wir kommen heute unserer Verpflichtung als Eigentümer des Hambacher Forstes nach. Das muss aufgrund der besonderen Lage unter Schutz der Polizei erfolgen“, teilte RWE mit. Rund 60 RWE-Mitarbeiter und Beschäftigte von Partnerfirmen seien im Einsatz gewesen.

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