Interview mit 3M-Chef Reza Vaziri "Wir investieren 120 Millionen Euro in Deutschland"

Düsseldorf · 3M-Generaldirektor Reza Vaziri spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Investitionen seines Unternehmens in Deutschland, über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA und Innovationskraft des Mischkonzerns.

 3M-Deutschlandschef Reza Vaziri sieht sein Unternehmen im Bereich Forschung ganz weit vorn.

3M-Deutschlandschef Reza Vaziri sieht sein Unternehmen im Bereich Forschung ganz weit vorn.

Foto: 3M

Jeder kennt Post-It, die gelben Klebezettel aus Ihrem Haus, aber kaum einer kennt 3M. Woran liegt das?

Vaziri Unser Unternehmen ist breit aufgestellt. Unter einem Dach haben wir über 1500 Marken: Einige kennt der Verbraucher gut - neben den Post-It Haftnotizen etwa die Scotch Klebebänder, den Scotch-Brite Schwamm oder Nexcare Pflaster. Aber den größeren Teil des Umsatzes - nämlich gut 25 Milliarden von 30 Milliarden US-Dollar - macht 3M weltweit mit Produkten für die Industrie. Solche Produkte sind nicht so sexy und bekannt wie beispielsweise ein iPhone. 3M Technologien finden sich jedoch häufig in bekannten Markenprodukten.

Ist die Marken-Vielfalt ein Problem? Andere Hersteller wie Henkel oder Tui streichen derzeit Marken, weil die Konzentration auf wenige Marken günstiger ist.

Vaziri Auch wir prüfen ständig, ob wir unsere Marken straffen. Markenpflege ist aufwendig und teuer. Zudem ist für Unternehmen mit einer starken Marke wie Apple, McKinsey oder BMW einfacher, gute Mitarbeiter zu gewinnen. Zu bekannten Unternehmen kommen die Bewerber von selbst, weniger bekannte Unternehmen müssen mehr um sie werben. In den USA haben wir diese Probleme übrigens nicht, dort kennen uns 80 Prozent der Menschen.

Womit versuchen Sie, die Mitarbeiter in Deutschland zu locken?

Vaziri Wir sind ein kreatives amerikanisches Unternehmen, das seinen Mitarbeitern viel Freiraum und Entwicklungsmöglichkeiten bietet. So können unsere Forscher beispielsweise 15 Prozent ihrer Arbeitszeit Projekten eigener Wahl widmen. Schon in den 1940er Jahren schuf unser damaliger CEO William McKnight die Basis für eine Personalpolitik, die auf Verantwortung und Eigeninitiative aller Mitarbeiter setzt. Das sehen wir heute als wichtigste Voraussetzung für unsere Innovationskraft. Ein Langzeitkonten-Modell ermöglicht es unseren Mitarbeitern in Deutschland, ihre Lebensarbeitszeit flexibel zu gestalten und ihrer jeweiligen Lebenssituation anzupassen. Diese Freiheiten kommen gut an. Die Fluktuation bei uns ist sehr niedrig. Ich selbst zum Beispiel bin bereits seit 32 Jahren bei 3M.

3M nennt sich selbst "Das Erfinder-Unternehmen". Wie viel geben Sie für die Forschung aus?

Vaziri Im letzten Jahr machten die Forschungsausgaben 5,5 Prozent unseres weltweiten Umsatzes aus. Bis zum Jahr 2017 sollen es sechs Prozent sein.

Kann man Innovationen mit Geld erzwingen?

Vaziri Nein. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass es nicht die Unternehmen mit den größten Forschungsbudgets sind, die die meisten Innovationen hervorbringen.

Und, wie erfolgreich ist 3M da?

Vaziri Wir bringen jedes Jahr über 1000 neue Produkte auf den Markt und erwirtschaften mehr als 30 Prozent unseres Umsatzes mit Produkten, die jünger als fünf Jahre sind. Das zeigt, dass unser Innovationsprozess funktioniert. Natürlich braucht es auch schon mal einen etwas längeren Atem, bis sich ein Produkt am Markt durchsetzt oder es setzt sich eben auch gar nicht durch — ganz ohne Flops wird es nie gehen. Ein Großteil unserer neuen Produkte resultiert aus einem Dialog mit dem Kunden. Wir wissen, wo der Schuh drückt und entwickeln entsprechende Lösungen.

Im Ranking der Unternehmensberatung Booz war 3M früher unter den Top 3 und ist nun von Samsung verdrängt worden. Woran liegt das?

Vaziri Wir belegen immerhin das vierte Jahr in Folge eine Top Platzierung in diesem Ranking der innovativsten Unternehmen. Auch ein fünfter Platz ist immer noch ein sehr gutes Ergebnis. Wir vergleichen uns hier mit starken Consumer-Marken wie Apple, Google, Amazon und eben Samsung.

Ist Produktpiraterie für Sie ein Problem?

Vaziri Das ist für jeden Markenartikler ein Problem. Es gibt bereits Unternehmen, die keine Patente mehr anmelden, weil sie mit der ausführlichen Beschreibung Produkt-Piraten eine ideale Vorlage liefern. Wir schützen uns vor allem mit Arbeitsverträgen, die das Abwandern von Know-How zu Konkurrenten erschweren und mit eigenen Patentanwälten, die über unsere Erfindungen wachen.

Wie viel Geld investieren Sie in Deutschland?

Vaziri In diesem Jahr investieren wir über 80 Millionen Euro in Deutschland, im nächsten Jahr über 120 Millionen. Der Großteil davon geht nach Nordrhein-Westfalen, vor allem an die Produktions-Standorte Hilden und Kamen.

Schafft 3M in Deutschland neue Jobs?

Vaziri Derzeit bemühen wir uns, die Zahl der Arbeitsplätze von 6200 zu halten. Der Wind ist rauer geworden. Als Lieferant von Vorprodukten für die Solarindustrie leidet auch 3M unter der Krise dieser Branche. Wir werden unseren Umsatz in Deutschland in diesem Jahr um mehr als drei Prozent steigern. Das ursprüngliche Ziel von 7,5 Prozent werden wir jedoch nicht erreichen.

Was heißt das für die Deutschland-Zentrale von 3M in Neuss?

Vaziri Dort haben wir rund 1700 Mitarbeiter, vor allem in der Verwaltung. Nach Lage der Dinge werden es dort nicht mehr und nicht weniger werden.

Europa und die USA verhandeln derzeit über ein Freihandelsabkommen. Was würde das 3M Deutschland bringen?

Vaziri Wie alle exportorientierten Unternehmen würden wir davon profitieren, wenn die Ausfuhren erleichtert und bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. Ein Freihandelsabkommen würde für uns weniger Bürokratie und mehr finanzielle Vorteile bringen. 3M erwartet dadurch Kosteneinsparungen von mehreren Millionen Euro.

Im Vergleich der Standorte Deutschland/USA schneidet Deutschland immer öfter schlecht ab, weil hier die Energiekosten deutlich höher sind. Wie stark ist 3M von der Energiewende belastet?

Vaziri Wenn Unternehmen wegen der Energiekosten mit Abwanderung drohen, ist das oft populistisch. Gleichwohl muss die Bundesregierung darauf achten, dass sie der Wirtschaft weiterhin die nötige Planungssicherheit gibt.

Thomas Reisener führte das Gespräch

(tor)
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