Fragen und Antworten Wie die Musterklage funktionieren soll

BERLIN · Union und SPD haben die Musterfeststellungsklage durch den Bundestag gebracht. Sie soll ab November gelten und bis zu zwei Millionen geschädigten VW-Kunden Ansprüche auf Schadenersatz sichern. Auch für viele andere Anwendungen kann sie nützlich sein.

 Die Mitglieder der Koalitionsfraktionen von Union und SPD stimmten für die Musterfeststellungsklage.

Die Mitglieder der Koalitionsfraktionen von Union und SPD stimmten für die Musterfeststellungsklage.

Foto: dpa/Jens Büttner

Was ändert sich mit der Musterklage? Mit der „Eine-für-alle-Klage“, wie die SPD die Musterfeststellungsklage nennt, wird eine neue Form des kollektiven Rechtsschutzes geschaffen. Das bedeutet, dass nicht mehr jeder einzelne Betroffene in einem größeren Schadensfall, beispielsweise beim VW-Betrug, das gesamte Verfahren vor Gericht durchlaufen muss. Mit der Musterfeststellungsklage kann ein Verbraucherverband stellvertretend für viele Betroffene ein spezielles Vergehen von einem Gericht feststellen lassen. Im Anschluss kann sich jeder Betroffene darauf berufen, um die persönlichen Schadensersatzsummen einzufordern. Dabei tragen sie dann ein geringeres Prozessrisiko, weil es ja bereits eine Musterentscheidung gibt.

Wie funktioniert die Klage genau? Nicht die Verbraucher sind klageberechtigt, sondern nur Verbände mit mindestens zehn Mitgliedsverbänden oder mindestens 350 Mitgliedern. Mindestens vier Jahre lang müssen sie dafür auf einer Liste des Bundesamtes für Justiz geführt sein. Außerdem muss es sich nachweislich um Verbraucherverbände handeln. Wenn dann mindestens zehn Verbraucher glaubwürdig darlegen können, dass sie vom selben Urheber den gleichen Schaden erlitten haben, kann der Verband Klage anmelden. Beim Bundesamt für Justiz wird dann ein Klageregister eröffnet, in das sich binnen zwei Monaten mindestens 50 Geschädigte eintragen müssen. Erst dann kann der Prozess vor einem Landgericht starten. Mit der Eintragung in das Register wird für die Verbraucher die Verjährung ihrer Schadensersatzansprüche gestoppt. Wollen mehrere Verbände in derselben Sache eine Musterklage starten, wird dies in einem Verfahren zusammengefasst. Verbraucher können nicht zweigleisig fahren: Wer sich einer solchen Klage angeschlossen hat, kann nicht gleichzeitig in derselben Sache selbst klagen.

Für die Musterfeststellungsklage sind viele Anwendungen denkbar. Etwa, wenn ein Energieversorger fehlerhafte Abrechnungen verschickt oder die Preise stark erhöht, ein Reiseunternehmen gegen Vereinbarungen mit Kunden verstößt, oder eben beim Vorgehen gegen Autokonzerne wegen Manipulationen an der Abgasanlage. Die Musterklage zielt vor allem darauf ab, dass Menschen, denen nur ein verhältnismäßig geringer Schaden entstanden ist, dennoch in Auseinandersetzungen mit Konzernen zu ihrem Recht kommen können. Ohne die Möglichkeit, dass ein Verband für viele Betroffene mit dem gleichen Schaden klagt, wäre den einzelnen Personen das Prozessrisiko und die damit verbundenen Kosten womöglich oftmals zu hoch. Eine Musterklage kann auch in einem Vergleich enden, bei dem sich beide Parteien auf eine bestimmte Entschädigung für alle im Register eingetragenen Verbraucher einigen. Verliert der Verband die Klage, sind den Verbrauchern zumindest keine Kosten entstanden und sie können die Prozessrisiken bei einem individuellen Verfahren besser abschätzen.

Wie geht es jetzt weiter? Nachdem nun der Bundestag grünes Licht gegeben hat, wird das Gesetz im Bundesrat noch beraten. Zustimmen muss die Länderkammer nicht. Geplant ist, dass das Gesetz dann am 1. November in Kraft treten wird. Der Verbraucherzentrale Bundesverband wird direkt danach eine Musterklage gegen Volkswagen einreichen, um die Verjährung zum Jahresende aufzuhalten. Entscheidend ist, dass sich dann sehr schnell mehr als 50 Geschädigte in das Klageregister eintragen, damit es zu einem Prozess kommen kann.

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