Feilschen um die Standorte Wer steckt hinter dem neuen Galeria-Investor?

Essen · Erst sollte ein Drittel der Häuser geschlossen werden, dann waren 90 in Gefahr, jetzt angeblich nur noch 60. Die Diskussionen zwischen Geschäftsführung, Vermietern und potenziellen Investoren gehen bis März weiter.

 Die Filiale in Kleve wurde vor einigen Jahren als „lokales Forum“ angepriesen und soll regionale Schwerpunkte setzen (Symbolbild).

Die Filiale in Kleve wurde vor einigen Jahren als „lokales Forum“ angepriesen und soll regionale Schwerpunkte setzen (Symbolbild).

Foto: Markus van Offern (mvo)

Die Menge der Niederlassungen, die weder beim Warenhauskonzern Galeria noch bei einem anderen Eigentümer eine Überlebenschance haben und deshalb geschlossen werden, gehört aktuell zu den öffentlichkeitswirksam meistdiskutierten Zahlen im deutschen Einzelhandel. Das Thema findet auch deshalb Aufmerksamkeit, weil zum x-ten Mal Beschäftigte um ihre berufliche Existenz bangen. Bis zum Monatsende muss das Unternehmen, dessen Führung im Insolvenzverfahren um den Sachwalter Frank Kebekus und den Generalbevollmächtigten Arndt Geiwitz erweitert wurde, dem Amtsgericht Essen einen Sanierungsplan vorlegen.

Bis dahin sollte ursprünglich mal Klarheit herrschen, welche Filiale welche Zukunft hat. Doch davon kann nicht die Rede sein, weil es beispielsweise mit einigen Vermietern zähe Diskussionen um deren Forderungen gibt. Dass zwischenzeitlich davon die Rede war, dass 90 Häuser geschlossen werden könnten, mithin also gerade mal ein Drittel überleben würde, gehört zum Pokerspiel, in dessen Rahmen Vermieter unter Druck gesetzt werden. Denn: Wenn die Filiale dauerhaft schließt, kriegt der Eigentümer der Immobilie künftig gar nichts mehr. Es sei denn, eine Nachnutzung ist schon in Arbeit, ein neuer Mieter schon ausgeguckt.

Also wird bis März weiter gepokert. Dann müssen die Gläubiger dem Sanierungsplan zustimmen, und das ist dann die entscheidende Frist für das handelnde Management. In zwei Monaten soll die Schließungsliste vorliegen, auf der nach dem aktuellen Stand nur noch 60 Häuser stehen sollen. Aber das kann sich täglich ändern – wenn es eine Einigung mit Vermietern gibt, wenn klar ist, an welchen Standorten welche Investoren Interesse haben könnten.

Zu denen gehört die Dortmunder Modekette Aachener mit dem Inhaber Friedrich-Wilhelm Göbel. Das Unternehmen erklärte jüngst, es sei „aktuell in Gesprächen mit Galeria und Eigentümern von Galeria Immobilien, um gegebenenfalls eine größere Anzahl von Galeria Standorten zu übernehmen“. Wie viele, bleibt offen. Auch das hängt am Ende davon ab, wie die Gespräche zwischen Galeria und den Eigentümern der Niederlassungen verlaufen.

Für die Beschäftigten ist die erneute Hängepartie eine Katastrophe. Von „Grausamkeiten“ ist die Rede, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugemutet würden. Mancher sieht die Vermieter als die bösen Buben, die mit ihren Mietforderungen eine Sanierung blockieren. Aber so eine Erklärung greift natürlich viel zu kurz bei einem Konzern, der schon etliche Krisen mit immer wiederkehrenden Opfern der Belegschaft hinter sich hat, der seit dem Ausbruch der Pandemie zweimal ins Schutzschirmverfahren ging, zwei Milliarden Euro Schulden erlassen bekam und im Herbst des vergangenen Jahres doch wieder um Staatshilfe bitten musste – diesmal vergeblich. Ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell seit Jahrzehnten infrage steht, sollte vor allem die Schuld bei sich selbst suchen, auch wenn die Corona-Krise mit ihren Lockdowns und der Ukraine-Krieg mit hohen Energiepreisen und sinkendem Konsum dem Handel natürlich wehgetan haben.

Jetzt kommt also die nächste Sanierung, mit Wackelkandidaten, deren Benennung regelmäßig demselben Schema folgt. Die Doppelstandorte sind am ehesten in Gefahr, in anderen Filialen laufen Mietverträge aus, wieder andere sind seit Jahren beinahe chronisch defizitär. Die Rechnung des Mönchengladbacher Handelsexperten Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein: „Wichtigste Kennziffer dürfte der Quadratmeter-Umsatz pro Jahr sein, der müsste normalerweise bei durchschnittlich rund 3000 Euro liegen, beträgt bei Galeria aber nur 1000 Euro im Mittel.“ Die durchschnittliche Hausgröße dürfte seiner Einschätzung nach bei durchschnittlich rund 16.000 Quadratmetern Verkaufsfläche liegen. „Ich gehe davon aus, dass ein Warenhaus mindestens 25.000 Quadratmeter benötigt, da es sonst nicht genug Frequenz zieht“, so Heinemann. Die Folge: „Damit dürfte maximal die Hälfte der Häuser übrig bleiben.“

Es wird auch neuerlichen Personalabbau geben, nicht nur beim Verkaufspersonal, sondern auch in der Zentrale, wo angeblich mehrere Hundert Jobs zur Disposition stehen. Selbst Konzernchef Miguel Müllenbach könnte bald weg sein. Auf die Frage, ob der ehemalige Kaufhof-Chef Olivier van den Bossche, der zur Galeria-Chefetage gehört, Müllenbach ablösen könnte, sagte der Generalbevollmächtigte Geiwitz der „Lebensmittelzeitung“: „Wir ändern die gesamte Organisation, und Olivier van den Bossche wird daran entscheidenden Anteil haben.“ Das klingt nach Wechselstimmung.

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