Siemens, VW und jetzt Opel Wenn Betriebsräte im Zwielicht stehen

Düsseldorf (RP). Der Autobauer Opel reißt mit Sonderzahlungen an die Betriebsräte alte Wunden auf. Erneut steht der Vorwurf der Bestechlichkeit von Arbeitnehmervertretern im Raum. Dabei ist die gesetzliche Regelung eigentlich eindeutig.

Der Opel-Betriebsratsvorsitzende Klaus Franz.

Der Opel-Betriebsratsvorsitzende Klaus Franz.

Foto: AP, dapd

"Die Mitglieder des Betriebsrates führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt", lautet der erste Absatz des Paragrafen 37 im Betriebsverfassungsgesetz. Gestern bestätigte Opel-Sprecher Andreas Kroemer unserer Redaktion, dass der Autobauer seinen Betriebsräten trotzdem Sonderpauschalen zahlt.

"300 bis 1000 Euro je nach Einzelfall" seien bei Opel üblich. Pro Monat. Später reichte Opel eine schriftliche Stellungnahme nach, die das Extra-Geld für die Betriebsräte mit der "erheblichen Mehrarbeit" der Arbeitnehmervertreter begründet. In Phasen besonderer Arbeitsbelastung sei "eine Abgeltung der Mehrarbeit über Freizeit nicht möglich". Opel habe sich deshalb "entschieden, diese Mehrarbeit über einen Pauschalbetrag abzugelten".

Für den Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing ist der Fall klar: "Diese Zulagen sind ein glasklarer Verstoß gegen das Gebot der unentgeltlichen Betriebsratsarbeit." Das Argument der pauschalen Überstunden-Vergütung sei unzulässig.

Der prominente Arbeitsrechtler Helmut Naujoks, soeben mit seiner Kanzlei von Düsseldorf nach Hamburg gezogen, sieht das auch so. "Wenn das so gehandhabt wurde, war das in hohem Maße rechtswidrig", meint Naujoks. Für verbotene Begünstigungen von Betriebsräten sehe das Gesetz Geldbußen bis zu 10 000 Euro und in Extremfällen Haftstrafen vor.

Ob zu Recht oder zu Unrecht: Der Fall Opel ruft Erinnerungen an Bestechungsskandale prominenter Betriebsräte wach. An die Affäre um den ehemaligen Chef des VW-Betriebsrates zum Beispiel: Klaus Volkert musste vor drei Jahren ins Gefängnis.

Die Chefs des Autobauers hatten Mitglieder des Betriebsrates mit Geld, Luxusreisen und Prostituierten bestochen. Oder an den ehemaligen Siemens-Betriebsrat Wilhelm Schelsky, der eine eigene Mini-Gewerkschaft gründete, die von Siemens für ihr offenbar kooperatives Verhalten mit Millionen bedacht worden sein soll. Auch Schelsky wanderte ins Gefängnis.

Alles Einzelfälle, die zu Unrecht ein schlechtes Licht auf die 240 000 ehrenamtlichen Betriebsräte in Deutschland werfen? Oder sind Siemens, VW und jetzt vielleicht auch noch Opel die Spitze eines Eisberges?

Betriebsräte sind nicht nur als Mittler zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern eine wichtige Stütze für den betrieblichen Frieden. Die Umsicht, mit der viele von ihnen etwa in der Wirtschaftskrise 2008/09 Kurzarbeit und andere Zumutungen für die Arbeitnehmer akzeptiert und so Zigtausende von Entlassungen verhindert haben, zeugt auch vom Verantwortungsbewusstsein der Betriebsräte für das Wohl der gesamten Volkswirtschaft.

Trotzdem sehen Kritiker wie Helmut Naujoks in der "unerhörten Machtfülle deutscher Betriebsräte" eine "Verführung zum chronischen Machtmissbrauch". Als offizielle Vertreter der Arbeitnehmer können Betriebsräte das Management einer Firma praktisch lahmlegen: Überstunden und Neueinstellungen etwa müssen oft vom Betriebsrat genehmigt werden. Auch Umstrukturierungen kann er massiv verzögern.

Dabei unterliegt er anders als ein angestellter Manager keiner externen Kontrolle: Er kann während seiner vierjährigen Amtszeit nicht abgewählt werden und ist quasi unkündbar. "Daraus ergibt sich in der Praxis oft eine regelrechte Abhängigkeit des Managements vom Betriebsrat", meint Naujoks.

Dass Arbeitgeber sich ihre Betriebsräte deshalb mit Vergünstigungen gewogen halten, sei "in Deutschland gängige Praxis". Ein Klassiker sei etwa die Tankkarte für den Betriebsrat. Oder die Anerkennung von Überstunden, die nie nachgewiesen wurden. Oder die Seminarreise in ein Vier-Sterne-Hotel.

Naujoks, der ein "Schwarzbuch Betriebsrat" verfasst hat, vertritt ausschließlich Arbeitgeber. Das erklärt die unpopuläre Deutlichkeit seiner Betriebsräte-Kritik. Zur Wahrheit gehört aber auch: Deutschland ist voll von Bestechungs-Skandalen. Und nur ein kleiner Teil davon hat mit Betriebsräten zu tun.

(RP)
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