Air-Berlin-Piloten Weiter volles Gehalt im Cockpit

Düsseldorf/Berlin · Führungskräfte und Piloten von Air Berlin erhalten trotz beantragter Insolvenz ihr Geld uneingeschränkt. Ein Grund: Niemand wagt, die Crews um Zugeständnisse zu bitten. Auch am Samstag wurden in Düsseldorf mehrere Air-Berlin-Flüge annulliert.

 Air-Berlin-Flugzeuge (Archivbild).

Air-Berlin-Flugzeuge (Archivbild).

Foto: dpa, rwe htf

Mehrere Air-Berlin-Flüge ab Düsseldorf sind am Samstag annuliert worden. Betroffen sind Reisende, die nach München (geplanter Abflug: 12.10 Uhr und 14.15 Uhr), Nizza (12.30 Uhr) oder Rom (13.45 Uhr) fliegen wollten.

Am Freitag um 14 Uhr endete die Frist, bis zu der Angebote für die Übernahme von Air Berlin eingereicht werden konnten. Vorstandschef Thomas Winkelmann gab bekannt, dass es ein "reges Investoreninteresse" gebe, nannte aber weder Namen der möglichen Käufer noch deren Zahl. Er betonte, Ziel des Verfahrens sei weiterhin, möglichst viele der rund 8000 Arbeitsplätze zu erhalten - gleichzeitig steht aber fast fest, dass Air Berlin zerschlagen wird.

Unsere Redaktion erfuhr parallel, dass Air Berlin trotz am 15. August beantragter Insolvenz die Gehälter der Piloten und auch der Manager uneingeschränkt weiterzahlt, obwohl die Bundesagentur für Arbeit nur ein monatliches Insolvenzausfallgeld von maximal 6350 Euro überweist. Dies hatte der Gläubigerauschuss bereits am 23. August beschlossen, doch die Entscheidung wurde nicht öffentlich verkündet.

Für die weiter hohen Zahlungen von häufig mehr als 10.000 Euro im Monat gibt es mehrere Gründe. "Würden wir kein volles Gehalt mehr erhalten, hätte es vielleicht viel früher eine Welle an Krankmeldungen gegeben", erklärt ein Co-Pilot leicht ironisch die Lage. Die Kollegen seien vom Untergang "ihrer Airline" geschockt, da würden Lohneinbußen für weitere Unruhe sorgen.

Man wolle verhindern, dass wichtige Mitarbeiter zu Wettbewerbern wechseln, teilt der Generalbevollmächtigte von Air Berlin, Frank Kebekus, mit. Laut "Focus" haben Piloten sogar mit weiteren Krankmeldungen gedroht. Eine Gruppe aus Flugkapitänen und First Officers, habe erklärt, man habe jetzt "nichts mehr zu verlieren" und könne deshalb auch "jederzeit längere kollektive Krankmeldungen organisieren".

Zu den Zahlungen an die Piloten sagt der Düsseldorfer Arbeitsrechtler Olaf Methner von der Kanzlei Baum Reiter & Collegen: "Theoretisch kann das Unternehmen aufhören aus eigenen Mitteln zu zahlen, weil es zahlungsunfähig ist. Der Arbeitnehmer erhält dann nur noch Insolvenzausfallgeld. Dass solche Einbußen die Piloten nicht gerade motivieren würden, liegt auf der Hand."

Und ein Betriebsrat, der aber keine Piloten vertritt, bringt die Lage so auf den Punkt: "Wenn ein Pilotenstreik die Firma lahmgelegt hätte, wäre fast nichts mehr zu verkaufen gewesen. Also zahlt der Insolvenzausschuss lieber einige Millionen Euro mehr an Lohn aus, um dann wenigstens laufende Betriebe inklusive ihrer Start- und Landerechte abgeben zu können."

Nun zeichnet sich ein hartes Ringen um wichtige Teile des Flugbetriebes ab, während den Mitarbeitern in der Zentrale in Berlin und wohl auch vielen Technikern in Düsseldorf schnelle Kündigung droht. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert dabei, dass die Entscheidung über die Zukunft von Air Berlin vom 21. September auf den 25. September verschoben wurde - also einen Tag nach der Bundestagswahl: "Diese Vertagung geht vor allem zu Lasten der Beschäftigten, die endlich Entscheidungen über ihre Arbeitsplätze und ihre Zukunft wollen", sagte Verdi-Bundesvorstand Christine Behle. Sie vermutet, dass die Verkündung vertagt wurde, um möglicherweise unangenehme Nachrichten vor der Wahl geheim zu halten - also drohende Entlassungen oder die Botschaft, dass der KfW-Kredit von 150 Millionen Euro doch nicht zurückgezahlt werden könnte.

Lufthansa bestätigte am Freitag, ein Angebot für Teile von Air Berlin eingereicht zu haben. Es geht um einen sehr großen Teil der Flotte von rund 140 Jets, es werden deutlich mehr als 100 Millionen Euro angeboten.

Der frühere Formel-1-Rennfahrer Niki Lauda hat sein Angebot mit Condor auch eingereicht. Er plant mit 38 Jets ein europaweites Angebot mit Ferienflügen - wohl auch von NRW aus.

Der britische Billigflieger Easyjet interessiere sich für einen Teil des Kurzstreckenangebotes und wolle sich weiter auf bestimmte Städte in Deutschland konzentrieren, erklärt ein Sprecher.Das könnte man als Entscheidung für den Ausbau der Präsenz in Berlin verstehen und als Absage an Düsseldorf, wo Easyjet noch nicht präsent ist. Andererseits braucht Easyjet nach dem Brexit eine stärkere Präsenz auf dem europäischen Kontinent und Düsseldorf hat einen riesigen Einzugsbereich.

Neben dem Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl bietet der frühere EnBW-Chef Utz Claassen für das ganze Unternehmen. Wöhrl hat wenig Chancen, weil er nur 50 Millionen Euro als sichere Zahlung anbietet. Weitere 450 Millionen Euro könnten folgen, sagt er. Das Geld fließt aber nur bei einem guten Verlauf der Geschäfte - und das ist sehr unsicher für die Gläubiger.

Utz Claassen möchte zwar 100 Millionen Euro auf den Tisch legen und plant dann weitere 600 Millionen Euro an Liquiditätshilfe ein - aber woher das Geld kommen soll, bleibt unklar. "Die beiden Angebote für Air Berlin als Ganzes könnten politisch aber noch eine große Rolle spielen", sagt ein Insider bei Air Berlin, "denn wenn die Zerschlagung beginnt, könnten die Gewerkschaften immer wieder an diese angeblich verpassten Chancen erinnern."

Tatsache ist, dass Air Berlin pro Monat mehr als 100 Millionen Euro Verlust macht - es ist unsicher, ob der Betrieb länger als bis Mitte Oktober finanziert werden kann.

Derweil fordert die IHK Düsseldorf, dass das Ende von Air Berlin als lange wichtigster Fluggesellschaft in Düsseldorf nicht zu einem Ausdünnen von Verbindungen führen darf. "Wir hoffen auf den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze", sagt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK. Er ergänzt: "Wir hoffen in Düsseldorf weiter auf ein breites Flugangebot zu internationalen Zielen." Dabei sei aber wichtig, dass es weiter viel Wettbewerb auf Strecken in Europa gebe. Nur so könne "ein attraktives und breites Angebot auch dort aufrecht erhalten werden."

Gemeint ist: Lufthansa und ihr Ableger Eurowings dürfen nicht alle Strecken übernehmen. Welche Verhältnisse in Düsseldorf drohen, zeigt eine Analyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für unsere Redaktion: Nach München, Berlin, Hamburg, Genf, Venedig oder Salzburg würden Lufthansa und Eurowings fast alle Flüge kontrollieren, wenn diese Air-Berlin-Strecken übernommen würden.

(RP)
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