Verspätungen und Ausfälle Warum auf die Bahn im Winter kein Verlass ist

Düsseldorf (RPO). Ausgefallene Züge, weniger Sitzplätze, Verspätungen: Die Bahn kämpft in diesen Tagen mit den Widrigkeiten des harten Winters. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Viele der bisweilen peinlichen Bahn-Pannen sind moderner Technik, schlechter Erprobung und schlampiger Wartung geschuldet. Experten erklären, warum das Reisen auf der Schiene immer unberechenbarer wird.

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Düsseldorf (RPO). Ausgefallene Züge, weniger Sitzplätze, Verspätungen: Die Bahn kämpft in diesen Tagen mit den Widrigkeiten des harten Winters. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Viele der bisweilen peinlichen Bahn-Pannen sind moderner Technik, schlechter Erprobung und schlampiger Wartung geschuldet. Experten erklären, warum das Reisen auf der Schiene immer unberechenbarer wird.

Reisen mit der Bahn wird in diesen Tagen zu einem zunehmenden Ärgernis. Züge fallen aus, Kunden müssen sich auf lange Wartezeiten einstellen und Geschäftsreisende sehen sich oft gezwungen, auf das Flugzeug umzusteigen. Die Bahn begründete die Einschränkungen mit Problemen bei Routine-Untersuchungen. Wegen Minusgraden und Eisregen käme es zudem dauernd zu Störungen an den Zügen.

Eisige Kälte ist keine Entschuldigung

Im Fernverkehr sind insbesondere die Verbindungen nach Brüssel und Amsterdam, zwischen Hamburg, Bremen und München sowie die Strecke von Köln nach Berlin betroffen. Teilweise musste jeder zweite Schnellzug gestrichen werden, da den ICE-T-Wagen die Kälte nicht bekommen war.

Alleine mit dem eisigen Winter ist die aktuelle Pannen-Serie der Bahn allerdings nicht zu begründen. Das Unternehmen hat vor allem Probleme die Zuverlässigkeit seiner Schienenfahrzeuge nicht in den Griff bekommen. Experten sehen eine der Hauptursachen in der Einkaufs- und Wartungspolitik der vergangenen zwanzig Jahren.

"Der letzte Schrei rächt sich"

"Es rächt sich jetzt, dass die Technik der Züge immer der letzte Schrei sein musste", sagt Martin Henke, Geschäftsführer Eisenbahn beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Statt immer wieder neuere und modernere Fahrzeuge zu ordern, solle die Bahn besser auf mehr Konstanz setzen.

Ansonsten lohne sich eine angemessene "Erprobung der Prototypen" nicht mehr. "Wenn mal hier 15 ICEs und dort mal 10 Doppelstockwagen bestellt werden, muss ich mich nicht wundern, wenn ich am Ende Probleme mit der Wartung bekomme", klagt Henke gegenüber unserer Redaktion. "Allein die ganze Ersatzteilhaltung wird damit zu einem unüberschaubaren Kunststück."

Gerade die rasende Hightech-Maschine, der in der Spitze 300 Stundenkilometer schnelle ICE, ist voll mit modernster Computertechnik. Um die Zuverlässigkeit zu gewährleisten, müssen die Züge ständig überholt werden und schon in der Entwicklung sollte man sie bis zur endgültigen Serienreife erproben. Doch das ist nicht der Fall. "Entwickelte die Bahn früher noch in Eigenregie, überlässt sie das heute der Industrie", sagt VDV-Mann Henke. Diese gewöhne sich nur allmählich daran, die bestellten Modelle eigenständig zur Serienreife zu bringen.

Entwicklung von 1971 bis 1991

Bis 1994 überwachten hierzulande die Bundesbahn-Zentralämter die Neuentwicklungen für den Schienenverkehr. Damals waren die Erprobungsphasen geradezu endlos. So testete man beispielsweise den Triebwagen VT 628, der bis heute noch im Regionalverkehr von NRW zum Einsatz kommt, von 1971 bis 1991, bevor er endgültig in Serie ging. Die Technik war bis dahin mittlerweile veraltet. "Das ist selbstverständlich ein anderes Extrem, die ideale Entwicklungszeit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte", so Henke.

Die Erprobungsmöglichkeiten sind heute endlos. Abgesehen von Berechnungen und Computersimulationen können die Bahnen in Spezialanlagen sämtlichen klimatischen Bedingungen ausgesetzt werden, unter anderem in einer speziellen Klimakammer in Wien. So werden die Züge tiefgekühlt oder aufgeheizt, um so ihre Belastbarkeit zu testen. Doch die Industrie scheut die Kosten, da gerade im Vergleich zur Autoindustrie immer nur geringe Stückzahlen vom Band laufen.

"Die pfeifen aus dem letzten Loch"

In der geringen Zahl der georderten Züge sieht vor allem der Fahrgastverband ProBahn ein weiteres großes Problem im deutschen Fernverkehr. Die Bahn habe es versäumt, sich mit einer breiteren Flotte gegen den Ausfall von Waggons und Triebwagen zu schützen. "Ohne größere Reserven pfeife ich am Ende aus dem letzten Loch", kritisiert ProBahn-Chef Karl-Peter Naumann.

Bei der Bahn selbst sieht man die Schwächen dagegen eher im eigenen technischen Know-how. Insbesondere bei der Wartung der Züge habe man in den vergangenen Jahren zu stark auf externe Dienstleister gesetzt. "Die Bahn muss wieder mehr auf eigene technische Kompetenz setzen, um bei Ausfällen angemessen reagieren zu können", sagt ein Manager des Unternehmens gegenüber unserer Redaktion. Insbesondere die Pannen bei der Berliner S-Bahn seien auf die eigene Fachkompetenz zurückzuführen.

Schweiz als Musterbeispiel

Die Anfänge sind jedenfalls schon gemacht. Die Bahn will künftig enger mit den Herstellern, im Falle der Berliner S-Bahn ist das Bombardier, kooperieren. Entwicklung im Alleingang wie in der Zeit der Bundesbahn soll es nicht mehr geben, aber gerade im täglichen Betrieb sucht man die Nähe zur Industrie.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen rät zudem zu einem Blick zu den Nachbarn aus der Schweiz. Die Bundesbahnen des Alpendlandes haben international ein besonders guten Ruf. Sie gelten als pünktlich und Streichung ganzer Verbindungen kennt man so gut wie überhaupt nicht.

"Hier setzt man auf altmodische Technik, die allerdings sehr erprobt und zuverlässig ist", sagt Martin Henke. Ein "konservativerer Einkauf" zahle sich am Ende aus. Die Technik ist vielleicht nicht der letzte Schrei, aber die Kunden kommen immer pünktlich ans Ziel.

(RPO)
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