Bester Wert seit 12 Jahren Wachstum überrascht
Berlin (RP). Die deutsche Wirtschaft wächst so stark wie zuletzt vor zwölf Jahren, die Finanzkrise kann ihr nichts anhaben. Auch Geisteswissenschaftler und Schulabgänger ohne Abschluss sind zunehmend gefragt.

Die 10 Gebote der Jobsicherung
Trotz Finanzkrise, Euro-Höhenflugs und steigender Ölpreise expandiert die deutsche Wirtschaft so stark wie zuletzt 1996. Das Bruttoinlandsprodukt legte im ersten Quartal um 1,5 Prozent im Vergleich zum Schlussquartal 2007 zu und wuchs damit doppelt so schnell wie die übrigen 26 EU-Länder.
Die wichtigsten Fragen rund um den Höhenflug
Sind die Zahlen wirklich überraschend? "Ja”, sagt der Ökonom Gustav Adolf Horn. "Wir hatten fürs erste Quartal eine Null vor dem Komma erwartet.” Horn ist Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf.
Was sind die Gründe? Die Unternehmen investierten mehr in Maschinen und Fahrzeuge. Weil das Wetter mitspielte, konnte am Bau nahezu durchgearbeitet werden. Auch der private Konsum kurbelte das Wachstum leicht an.
Wie entwickelt sich die Arbeitslosenrate? Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft: "Wir erwarten im Jahresdurchschnitt 3,4 Millionen Arbeitslose oder 7,8 Prozent. Das sind 386.000 weniger als im Vorjahr. Läuft es optimal, unterschreiten wir im Oktober die Drei-Millionen-Grenze.”
Welche Jobs sind gefragt? Sylvia Knecht vom Personalvermittler DIS AG: " Ingenieure für Automobil- sowie Luft- und Raumfahrttechnik, Experten für Wind- und Solarenergie sowie im Finanz- und Rechnungswesen. Auch die Nachfrage nach Geisteswissenschaftlern unter anderem für den Einsatz im Marketing oder Wissensmanagement steigt.”
Was passiert mit jungen Menschen ohne Schulabschluss? Für sie gibt es Hoffnung: Firmen entwickeln Berufsbilder mit einfacheren Anforderungsprofilen wie den zweijährigen Ausbildungsgang zum Maschinen- und Anlagenführer. Allein in diesem Berufszweig seien im vergangenen Jahr 3185 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen worden, meldet der Arbeitgeberverband Gesamtmetall.
Welche Chancen haben ältere Beschäftigte? Personalvermittlungs-Expertin Sylvia Knecht: "Angesichts des Fachkräftemangels sind die Unternehmen offener geworden für Mitarbeiter ab 50. Deren Fachwissen, das jüngere Kollegen oft noch nicht haben, wird zunehmend geschätzt.”
Wie entwickeln sich die Energiepreise? Die Kosten für Öl, Gas und Benzin steigen weiter, unabhängig von der Entwicklung der deutschen Konjunktur. Ein Barrel US-Öl kostet rund 125 Dollar, das ist ein neuer Rekord. Gerard Burg, Analyst bei der National Australian Bank: "Es gibt über die nächsten Monate kaum Abwärtspotenzial beim Ölpreis.”
Was ist mit den Staatseinnahmen? Bis Ende April lagen die Steuereinnahmen mit 157,3 Milliarden Euro fast sieben Prozent höher als im vergangenen Jahr und damit deutlich über den Prognosen. Dank der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt füllen sich auch die Rentenkassen. Von Januar bis April nahmen sie rund vier Prozent oder zwei Milliarden Euro mehr Pflichtbeiträge ein als in den ersten vier Monaten des Vorjahres. Gesamteinnahmen bis April: 50 Milliarden Euro.
Was wird aus den Löhnen? Gustav Adolf Horn: "Die guten Vorjahrs-Abschlüsse spielen jetzt im Aufschwung eine positive Rolle. Wie sich das Tarifjahr 2008 entwickelt, lässt sich aber nicht vorhersagen.”
Und was wird aus den Zinsen? Finanzexperten rechnen mit konstanten Leitzinsen. Das gute Wachstum zu Beginn des Jahres und die Inflation sprechen zwar für eine Zinserhöhung, aber im zweiten Quartal sei mit einer Abschwächung des Wachstums zu rechnen. Volker Hofmann, Volkswirt beim Bankenverband: "Für die Europäische Zentralbank besteht wohl kein Handlungsbedarf .”
Welche Produkte sind gefragt? Elektronik-Konsumgüter: So stieg der Computerverkauf im ersten Quartal um 17 Prozent auf 2,88 Millionen Stück. Das ist das höchste Wachstum in Westeuropa. Wie sind die Aussichten? Das Wachstum bis zum Sommer wird niedriger ausfallen, weil sich die Baukonjunktur normalisiert. Aber fürs Gesamtjahr seien "die Chancen gut, dass es mehr als zwei Prozent werden”, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Die Commerzbank hob ihre Prognose schon jetzt von 1,8 auf 2,4 Prozent an.