Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen Wachstum nur unter Vorbehalt

Berlin (RPO). Die führenden Wirtschaftsinstitute haben ihr Frühjahrsgutachten erstellt. Die gute Nachricht: Die deutsche Wirtschaft bleibt trotz hoher Energiekosten und Rekordraten beim Euro-Kurs auf Wachstumskurs. Die schlechte: Die Prognose weist erhebliches Unsicherheiten auf. Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise sind kaum abzuschätzen, sagen die Forscher.

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Foto: AP

Wegen der abflachenden Konjunktur haben die führenden Wirtschaftsinstitute die Bundesregierung vor einem Reformstopp gewarnt. "Mit einer Abkehr von Reformen auf dem Arbeitsmarkt und mit der Einführung von Mindestlöhnen würde insbesondere die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre konterkariert", heißt es in dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Frühjahrsgutachten. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sieht weiter "gute Chancen für eine Fortsetzung des Aufschwungs, wenn auch mit geringerem Tempo".

Die Gutachter warfen der Bundesregierung Stillstand oder sogar Rückschritt in der Wirtschaftspolitik vor. Scheide forderte die Koalition auf, keine weiteren Mindestlöhne einzuführen, die Arbeitsmarktreformen fortzusetzen und "heimliche Steuererhöhungen" durch die kalte Progression bei der Einkommensteuer zurückzunehmen.

Arbeitgeber gegen "populistische Politik"

Glos erklärte: "Das klare Plädoyer für eine Fortsetzung unseres Reformkurses - auf dem Arbeitsmarkt, bei der Haushaltskonsolidierung und der Steuerpolitik - begrüße ich ausdrücklich." Der Wirtschaftsminister will seine eigene Konjunkturprognose am 24. April vorstellen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte die Bundesregierung davor, "die robuste Wirtschaftsentwicklung durch eine lasche und populistische Politik zu gefährden".

Die Gutachter erwarten ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent in diesem Jahr und 1,4 Prozent im Jahr 2009. "Aber ein Abgleiten in die Rezession ist unwahrscheinlich", sagte Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Dass die Aussichten für 2008 besser seien als für 2009, liege fast ausschließlich an der ungewöhnlich hohen Zahl von Arbeitstagen in diesem Jahr, erklärte Scheide. "Die konjunkturelle Dynamik ist tatsächlich im Jahr 2009 höher."

Im Herbst waren die Institute noch von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,2 Prozent in diesem Jahr ausgegangen. In ihrer Frühjahrsprognose gaben sie jetzt erstmals auch eine mittelfristige Vorhersage ab. Danach dürfte im Zeitraum 2007 bis 2012 das BIP um durchschnittlich 1,5 Prozent im Jahr zunehmen.

Kein Ende der Finanzkrise in Sicht

Die Weltkonjunktur wird nach Ansicht der Institute von der Krise des Immobilien- und Finanzsektors in den USA und den von ihr ausgelösten Finanzmarktturbulenzen überschattet. "Es ist kaum abzusehen, wie weit die Immobilienpreise und die Aktienkurse noch fallen und wann sie ihren Tiefpunkt erreichen werden", heißt es in dem Gutachten. Auch seien weitere Liquiditätskrisen großer Finanzinstitute denkbar. Das Bruttoinlandsprodukt der Welt dürfte 2008 mit 2,7 Prozent merklich langsamer zulegen als in den vergangenen Jahren.

Geteilte Meinung über Mindestlöhne

Uneins sind sich die Wirtschaftsforscher über die Auswirkungen von Mindestlöhnen: Fünf Institute befürchten negative Auswirkungen auf die Beschäftigung. Dagegen sagte Udo Ludwig vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle: "Probiert es mal mit einem niedrigen Mindestlohn."

Die Gemeinschaftsdiagnose wurde erstmals von acht Instituten erstellt. Beteiligt sind das Kieler IfW-Institut, das Münchner Ifo-Institut, das IWH aus Halle, das RWI Essen, das IMK aus Düsseldorf und das Züricher KOF sowie die beiden Wiener Institute Wifo und IHS.

(ap)
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