VW-Abgas-Skandal Techniker manipulierten Software wegen Zeit- und Kostendruck

Wolfsburg · Volkswagen macht den Versuch einer Erklärung: Zeit- und Kostendruck in der Motorenentwicklung haben nach Darstellung des Konzerns den Abgas-Skandal entscheidend begünstigt.

Demnach wählten Volkswagen-Techniker den Ausweg über die illegale Software, da sie bei den Arbeiten für den Skandalmotor EA189 anders als in der Vergangenheit nicht mehr auf den erlaubten Wegen an ihr Ziel zu kommen glaubten. Das geht aus der Reaktion des Konzerns auf Anlegerklagen hervor. Die knapp 120-seitige Klageerwiderung von VW lag der Deutschen Presse-Agentur in Hannover am Sonntag vor.

Darin schreiben die VW-Anwälte zu den Ursachen der größten Krise in der rund 80-jährigen Firmengeschichte, dass der Spagat zwischen den Abgas-Vorgaben in den USA und denen der EU immer schwieriger zu lösen gewesen sei. "Im Kern gründet sich die gesamte Dieselthematik somit auf den (grundsätzlich aber lösbaren) Zielkonflikt der Erreichung der in den USA geltenden strengen Stickoxidwerte bei gleichzeitiger Erreichung der vor allem in der EU geltenden Rußpartikel- und Kohlendioxidgrenzwerte", heißt es in der Klageerwiderung. Demnach sind die einen Vorgaben oft nur auf Kosten der anderen optimierbar.

"Diesen Zielkonflikt haben die VW-Techniker im Rahmen des technischen Konzepts der Dieselmotoren-Baureihe EA189 augenscheinlich nicht innerhalb des für die Entwicklung veranschlagten Zeitrahmens und Budgets gelöst. Da somit anders als in der Vergangenheit beim Motortyp EA189 offenbar kein Weg gefunden wurde, um die strengeren US-amerikanischen Stickoxid-Normen zu erfüllen, kam es zur Verwendung der Software", begründet der Konzern die Triebfeder der Affäre, bei der am Ende weltweit elf Millionen Diesel manipuliert wurden.

Hinweise lagen schon früher vor

Unterdessen wurde bekannt, dass dem Autobauer bereits einige Monate vor Bekanntwerden des Diesel-Skandals immer mehr Anzeichen auf gefälschte Abgaswerte vorgelegen. "Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand verdichteten sich bei Volkswagen ab Ende Mai 2015 zunehmend die Hinweise darauf, dass es zum Einsatz einer gegen US-Recht verstoßenden Software gekommen sein könnte", zitierte das "Handelsblatt" am Sonntag aus einer Klageerwiderung des Konzerns.

Demnach hatte etwa Mitte Mai ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung Hinweise auf "einen möglichen Einsatz eines sogenannten Defeat Device" erhalten. Er habe aber daraufhin nichts unternommen, berichtete das "Handelsblatt" weiter.

Ein VW-Sprecher verwies auf Anfrage auf eine Pressemitteilung vom vergangenen Mittwoch zu der Klageerwiderung. Darin hatte das Unternehmen betont, der Vorstand habe "seine kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht ordnungsgemäß erfüllt". Darüber hinaus mache VW keine weiteren Angaben, sagte der Sprecher.

Mit dem Schriftsatz will VW sich gegen Schadenersatzforderungen von Aktionären wehren. Europas größter Autobauer hatte im September 2015 eingeräumt, bei weltweit elf Millionen Diesel-Fahrzeugen mithilfe einer Software die Abgaswerte manipuliert zu haben.

(felt/dpa)
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