Streit um CO2-Grenzwerte VW-Chef Diess droht mit dem Abbau von 100.000 Jobs

Berlin · VW-Chef Herbert Diess hat mit einem Verlust von Zehntausenden Arbeitsplätzen gedroht. Sollte sich das EU-Parlament in den Verhandlungen um CO2-Grenzwerte durchsetzen, wäre die Geschwindigkeit des Wandels "kaum zu managen".

 Volkswagen-Chef Herbert Diess bei einer Pressekonferenz im April 2018.

Volkswagen-Chef Herbert Diess bei einer Pressekonferenz im April 2018.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Dann müssten in gut zehn Jahren "etwa ein Viertel der Jobs in unseren Werken wegfallen", insgesamt etwa 100.000 Stellen, sagte Diess der „Süddeutschen Zeitung“. Nach langen Verhandlungen hatten sich die EU-Staaten am frühen Mittwoch auf eine gemeinsame Position geeinigt, die unter den Vorstellungen des Parlaments, aber über denen der Kommission liegt. Kanzlerin Angela Merkel rechnet nicht mehr mit gravierenden Änderungen. "Das Ergebnis ist gut", sagte sie.

Es gebe eine sehr strenge Absprache zwischen der EU-Kommission und den EU-Staaten, dass man in den Verhandlungen mit dem EU-Parlament nicht mehr davon abweichen werde, sagte Merkel am Mittwoch. Die Konzerne sollen dem Vorschlag der EU-Umweltminister zufolge den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer Neuwagenflotten bis 2030 um 35 Prozent gegenüber 2021 verringern. Die EU-Staaten, die EU-Kommission und das EU-Parlament werden jetzt im sogenannten Trilog eine gemeinsame Linie festlegen. Der Rat der Umweltminister hatte sich mit der 35-Prozent-Lösung genau zwischen die Position von Kommission (30 Prozent) und Parlament (40 Prozent) gestellt.

"So eine Industrie kann schneller abstürzen, als viele glauben wollen", sagte Diess. Sollte sich das EU-Parlament mit einer Kohlendioxid-Reduzierung um 40 Prozent durchsetzen, müsste 2030 bereits die Hälfte der Fahrzeuge rein elektrisch fahren. "Die Transformation in der Geschwindigkeit und mit den Auswirkungen ist kaum zu managen." Zuvor hatte die Autobranche die Abmachung kritisiert. Es sei eine Chance vertan worden, die CO2-Grenzwerte technisch und wirtschaftlich realistisch zu gestalten, sagte der Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilwirtschaft (VDA), Bernd Mattes. Rat und Parlament gingen "mit überzogenen Forderungen in die anstehenden Trilogverhandlungen". Klar sei damit, dass letztlich CO2-Ziele vereinbart würden, die es so nirgendwo auf der Welt gebe. Dies werde den Industriestandort Europa schwächen.

Deutschland mit seiner Autoindustrie und der Produktion vor allem stärker motorisierter Fahrzeuge hatte sich hinter die Kommission gestellt. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vertrat diese Position im Umweltministerrat auf Druck des Wirtschaftsressorts und des Kanzleramts, obwohl sie zuvor für ehrgeizigere Ziele plädiert hatte. Schließlich stimmte sie für den Kompromiss." Es ist kein Geheimnis, dass ich noch mehr Ehrgeiz für möglich und richtig gehalten hätte", sagte sie nun vor den Trilog-Verhandlungen. Wichtig sei aber, dass jetzt der Weg für neue Grenzwerte frei sei und die Autoindustrie bald Planungssicherheit bekomme.

Umweltgruppen und die Grünen äußerte sich dagegen empört. Einen Tag nachdem der UN-Weltklimarat erneut Alarm geschlagen habe, betätige sich Deutschland erneut als Bremser, kritisierte der WWF. Die Grünen werteten das Ergebnis des Umweltministerrats als völlig unzureichend. Auch die Regierung habe sich mit ihrer Position aber nicht durchsetzen können: "Das Verhandlungsergebnis im Umweltministerrat ist die nächste Klatsche für die Bundesregierung", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Die Linken werteten das Ergebnis als erneutes Einknicken der Regierung vor der Autobranche: "Das Lobbygeschenk der große Koalition ist jedoch ein Bärendienst für Deutschland und Europa", sagte Klima-Experte Lorenz Gösta Beutin.

Im Jahr 2021 dürfen die Neuwagenflotten nach jetzigen EU-Regeln im Schnitt pro Fahrzeug noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Auf dieser Basis greift dann die weitere Kürzung bis 2030. Eingezogen werden soll ein Zwischenziel von 15 Prozent im Jahr 2025. Für Elektro-Autos kann ab einer bestimmten Menge an Neuzulassungen noch ein CO2-Bonus für die Gesamtflotte eines Herstellers angerechnet werden. Werden diese Autos in Ländern mit besonders wenigen Autos mit Niedrig-Emissionen verkauft, wird dies noch einmal stärker angerechnet.

(mlat/Reuters)
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