Deutsche Bahn VHS-Kurs zum Fahrkarten-Kauf

(RP). An einem Fahrkarten-Automaten der Deutschen Bahn zum richtigen Tarif das richtige Ticket zum richtigen Reiseziel zu bekommen, ist eine knifflige Angelegenheit. Bei der Volkshochschule Dortmund gibt es daher einmal im Monat eine "Automatenschulung der Deutschen Bahn".

Dortmund. Roland Bauer lächelt höflich und macht dabei ein Gesicht, als würden ihm gerade die Grundlagen der Quantenphysik erklärt. "Ja, und wie reserviere ich meinen Sitzplatz?" Petra Dragon-Sobotta unterbricht ihren Vortrag und drückt stumm auf den Tastmonitor ein. "Danach fragt der Automat gleich." Der Automat fragt nicht. "Hm. Bei dieser Verbindung gibt es wohl keine Reservierung. Wir müssen eine andere auswählen." Also noch mal von vorn.

Es ist 10.30 Uhr, der Januarwind fegt durch die Wartehalle des Dortmunder Hauptbahnhofes. Rund um die Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn hat sich ein Grüppchen aus zwölf überwiegend älteren Herrschaften postiert, das geduldig den Ausführungen von Bahnmitarbeiterin Petra Dragon-Sobotta und einem Kollegen lauscht. Die Gruppe nimmt am VHS-Kursus "Automatenschulung der Deutschen Bahn" teil. In dem anderthalbstündigen Seminar lernen die Teilnehmer, ein Bahnticket zu ziehen. Einen zehnminütigen Powerpoint-Vortrag zum Preissystem und zu den diversen Spar-Angeboten haben sie bereits hinter sich. Jetzt ist der Praxisteil dran.

"Es mag sich kurios anhören, dass wir für unsere Automaten eine Schulung anbieten", sagt Maik Lotte. Er ist Teamleiter im Reisezentrum der Deutschen Bahn am Dortmunder Hauptbahnhof und hat das Seminar gemeinsam mit der Dortmunder VHS organisiert. "Wir wollen den Kunden damit ihre Hemmungen nehmen, diese Automaten zu nutzen." Schließlich gehe das meist viel schneller, als in der Warteschlange vor dem Schalter zu stehen.

Hemmungen hat Roland Bauer eigentlich nie gehabt, den Automaten zu nutzen. Mit seiner Wandergruppe "Grauköppe" reist er oft per Bahn quer durch NRW. Aber vor den Automaten gibt es regelmäßig Diskussionen — und so dauert es dort doch meist länger als am Schalter. "In dem Tarifdschungel mit den vielen Angeboten finden wir uns nicht mehr zurecht", sagt er. Und die Rente, die sei ja nun auch nicht gerade üppig, da wolle er keinen Euro zum Fenster werfen.

"Der Automat weiß das nicht?"

Eigentlich ist er nur wegen einer einzigen Frage zu dem VHS-Kurs gekommen: "Wir haben in der Wandergruppe alle ein VRR-Ticket. Ist dann das SchönerTag-NRW-Ticket oder ein Zusatzticket günstiger, wenn wir nach Hamm wollen?" "Sie müssen am Automaten ein Ticket ab Lünen kaufen." "Wieso ab Lünen?" "Das ist die VRR-Grenze." "Und woher weiß ich das?" "Dazu gibt es eine Broschüre." "Der Automat weiß das nicht?" "Der Automat kann ja nicht alles wissen."

Petra Dragon-Sobotta startet einen zweiten Anlauf und drückt sich durch die Fragemasken auf dem Sichtfenster: Einfache Fahrt, Erwachsener, 5 Personen, keine Bahncard, Zweite Klasse, ab VRR-Grenze Lünen, bis Hamm — macht 5,70 Euro. Die Gruppe fährt günstiger, wenn sich jeder statt des SchönerTag-Ticket eine Zusatzkarte kauft. Roland Bauer ist zufrieden. Mehr wollte er eigentlich gar nicht wissen. Die nicht mögliche Sitzplatzreservierung fällt da nicht mehr ins Gewicht. "Warum das alles so kompliziert sein muss mit den Preisen, verstehe ich nicht."

Früher, da hat man einfach nur ein Ziel gesagt und einen Fahrschein bekommen. Heute muss man sich erst durch einen ausführlichen Fragenkatalog an einem Tastbildschirm drücken. "Und dann weiß man immer noch nicht, ob man die richtige Karte gekauft hat." Es sind vor allem Senioren wie Roland Bauer, die zu der Automaten-Schulung in Dortmund kommen. Mittlerweile bietet die VHS den Kursus einmal im Monat an. "Die Nachfrage ist enorm", sagt Maik Lotte. "Viele Senioren-Verbände haben sich bereits bei uns gemeldet und nachgefragt, ob es das Angebot öfter geben wird." Wenn das Seminar weiter so gut laufe, wolle die Bahn das Projekt auf andere Städte ausweiten.

Beim Fahrgast-Verband Pro Bahn werden solche Überlegungen kritisch beäugt: Mit derartigen Kursen gestehe die Bahn schließlich ein, dass sie die falschen Automaten aufgebaut habe. "Die Tarifstrukturen sind sehr kompliziert, auch die Bedienerfreundlichkeit reicht nicht aus", sagte Hartmut Buyken vom Bundesvorstand des Verbands zu den Automaten der Bahn. Es sehe hier danach aus, dass zusätzliche Lasten auf die Fahrgäste abgewälzt würden. Guter Service sei das daher nicht.

(RP)
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