US-Getränkehersteller Vemma Dubiose Geschäfte mit Energydrinks

Düsseldorf · Der US-Getränkehersteller Vemma steht in der Kritik, mit einem Schneeballsystem zu arbeiten. Junge Menschen werden dabei gezielt angesprochen. Sie sollen im Freundeskreis und in sozialen Netzwerken für den Energydrink Verve werben. Insider sprechen von Gehirnwäsche.

Es ist ein Samstagabend im bayrischen Altötting, Manuel will mit einem Freund ins nahegelegene Österreich zum Feiern fahren. Doch der hat andere Pläne. Anstatt in einen Club zu fahren, parkt der Freund den Wagen auf einem Gelände in Salzburg. Dort findet das Meeting eines Getränkeherstellers statt.

"Ich dachte noch, warum lügt er mich an", sagt der 19-Jährige. Doch da ist er bereits mittendrin — bei Vemma, einem amerikanischen Nahrungsergänzungsmittelhersteller, der in der Kritik steht, junge Menschen mit einem dubiosen Geschäftsmodell auszubeuten. Auf dem Treffen hätten alle auf ihn eingeredet, es wären Menschen aufgetreten, die angaben, durch den Hersteller des Energydrinks Verve reich geworden zu sein, sagt Manuel. Der Druck zeigt Wirkung: Er unterschrieb einen Vertrag als Vertriebspartner. "Es ist wie Gehirnwäsche", sagt Manuel rückblickend.

Nach der Anmeldung wurde der neue Vertriebspartner sofort dazu gedrängt, Getränkedosen im Wert von 150 Euro zu bestellen. Monat für Monat. "Ich dachte, das ist nicht wenig Geld, aber davon wirst du auch noch nicht arm." Manuel sollte die Dosen nicht verkaufen, sondern bei seinen Freunden für deren Bekanntheit werben. Die Dosen lassen sich nämlich nicht im Handel, sondern nur über den Anbieter direkt bestellen. Dafür werben sie in sozialen Netzwerken oder im Freundeskreis.

Affiliate — so heißen die Vertriebspartner im Jargon von Vemma, das für angeblich gesunde Drinks und Nahrungsergänzungsmittel steht. Im Gegenzug für die Anwerbung neuer Kunden habe das Unternehmen Geld, Reisen und sogar Autos in Aussicht gestellt. Am Ende blieb der versprochene Verkaufserfolg allerdings aus. Manuel blieb auf zahlreichen Dosen sitzen, rund 700 Euro und zwei seiner Freunde verlor er.

Bei dem Verkaufssystem handelt es sich um eine Art Schneeball- oder Pyramidensystem. Verbraucherschützer warnen vor solchen Geschäftsmodellen: "Die Gefahr liegt darin, dass man verdienen kann, wenn Vertriebspartner akquiriert werden. Aber irgendwann gibt es keine mehr", sagt Katharina Grasl, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Bayern. Ob das bei Vemma auch der Fall ist, könne die Verbraucherzentrale noch nicht richtig einordnen. Das System der Firma sei auf den ersten Blick undurchschaubar. In Österreich warnen Verbraucherschützer längst vor dem Drink, der in Deutschland gerade erst auf den Markt drängt.

Auf einer Anti-Vemma-Facebookseite tauschen sich rund 4600 Mitglieder über ihre negativen Erfahrungen aus. Der österreichische Gründer der Seite möchte anonym bleiben, denn zahlreiche Facebook-Nachrichten habe er schon bekommen, in denen er, massiv bedrängt wurde, die Seite zu löschen. Auch er habe Freunde durch die Firma verloren: "Eine gute Freundin hat sich abgeschottet, sie möchte nur noch mit Leuten etwas zu tun haben, die auch bei Vemma sind", sagt der Seitengründer. Er berichtet zudem davon, dass die Getränke der Firma als sehr gesund angepriesen werden — sogar Krankheiten sollen die Drinks heilen können, behaupten einige der Affiliates. "Einer Bekannten wurde gesagt, es könne ihre Multiple Sklerose heilen."

Für einen Vemma-Vertriebspartner sind solche Methoden das Werk weniger schwarzer Schafe. "Das Grundproblem und die Chance zugleich ist, dass man vollkommene Freiheit als Vertriebspartner in Bezug auf die Vorgehensweise besitzt", sagt er. Der Karate-Leistungssportler arbeitet seit fünf Monaten als Vertriebspartner für Vemma und verdient damit nach eigenen Angaben im Monat 400 bis 600 Euro. "In meinem Team habe ich keine Millionäre", sagt er. Von Vemma selbst komme der Gedanke, damit reich werden zu können, nicht.

Blickt man allerdings auf die Homepage des Unternehmens sieht das anders aus: Autos, Reisen und ein berufliches Einkommen könne man sich verdienen, heißt es dort. Wenn Vertriebspartner genügend Geld einbrächten, könnten sie etwa ein Auto leasen und von Vemma einen Bonus erhalten. Ist der nächste Monat des Verkäufers jedoch nicht so stark, müsse er selbst bezahlen.

Diese dubiosen Angebote und die Produkt-Bestellungen treiben viele Vemma-Vertriebspartner dazu, nach wenigen Monaten wieder auszusteigen — dann wenn sie schon mehrere hundert Euro investiert haben. Vemma selbst wollte sich auf Anfrage zu den Vorwürfen nicht äußern, reagierte aber nach der Veröffentlichung des Berichts.

Allein die Leistung des einzelnen bestimme, wie viel jemand verdient, heißt es bei Vemma, ein Schneeballsystem gebe es nicht. "Des Weiteren stellen wir sicher, dass alle unsere Partner richtig über unser Geschäftsmodell informiert sind", teilte das Unternehmen mit.

Die gute Nachricht für Vertriebsmitarbeiter, die keine Lust mehr auf den Job haben: "Vemma kauft alle ungenutzten Produkte zurück, wenn ein Vertriebspartner sein Geschäft aufkündigen möchte."

(RPO)
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