Heizungsfirma Vaillant „Keiner muss eine funktionierende Gasheizung ausbauen“

Interview | Remscheid · Der Chef des Heizungsbauers Vaillant spricht über Preise, Lieferzeiten und Grenzen der Wärmepumpe. Und über die Frage, warum die neue Megafabrik seines Unternehmens nicht in NRW steht.

„  Bis zu 70 Prozent der Gebäude lassen sich ohne größeren Umbau mit Wärmepumpen beheizen.“

„ Bis zu 70 Prozent der Gebäude lassen sich ohne größeren Umbau mit Wärmepumpen beheizen.“

Foto: Vaillant

Beim Gang durch den Testcenter des Heizungsherstellers Vaillant betreten wir eine Halle, deren Wände aus Hunderten Pylonen bestehen. Hier werden Wärmepumpen auf ihre elektromagnetische Verträglichkeit untersucht. Damit wird sichergestellt, dass sie keine Radiowellen aussenden, die zum Beispiel den Fernseh- oder Handyempfang beeinträchtigen. In einer weiteren Testhalle werden Wärmepumpen von allen Seiten mit Duschköpfen intensiv beregnet. In Klimakammern wird der Betrieb von Wärmepumpen bei Temperaturen von unter minus 20 Grad getestet. In Remscheid treffen wir Norbert Schiedeck, den Vorsitzenden der Geschäftsführung.

Vaillant wird im nächsten Jahr 150. Wie kann ein so altes Unternehmen im Zentrum der Wärmewende stehen?

Schiedeck Transformation und Innovation gehören bei uns zum Geschäft. Unser Gründer Johann Vaillant hatte einst Ende des 19. Jahrhunderts den ersten Gasbadeofen erfunden, in dem Wasser hygienisch erwärmt werden konnte. Daraus entstand die Vaillant-Gruppe, der weltweit größte Anbieter von Gasheizungen. Bereits Anfang des Jahrtausends begann Vaillant Wärmepumpen zu entwickeln. Seit 2016 investieren wir stark in den Ausbau des Geschäfts mit Wärmepumpen. In Deutschland sind wir nun einer der beiden Marktführer für Wärmepumpen, in Europa bereits unter den drei führenden Herstellern.

Nun will der Bund, dass ab 2024 nur noch Heizungen eingebaut werden, die zu 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Das läuft auf Wärmepumpen hinaus. Geht das überhaupt in allen Gebäuden?

Schiedeck Wir gehen davon aus, dass sich ohne größeren Umbau bis zu 70 Prozent der Gebäude in Europa mit Wärmepumpen beheizen lassen. Bei den übrigen Gebäuden sind zusätzliche Maßnahmen notwendig. Je nach energetischem Zustand des Gebäudes kann das vom Austausch weniger Heizkörpern bis zur Gebäudedämmung reichen. Für Gebäude mit einem sehr niedrigen Isolationsstandard ist der Einbau von einem so genannten Hybridsystem eine Lösung, eine Kombination von einer Gasheizung mit einer Wärmepumpe. Dabei kommt die Gasheizung nur an den wenigen Tagen mit sehr niedrigen Außentemperaturen zum Einsatz. So kann die 65-Prozent-Regel erfüllt werden.

Das wird teuer. Was kostet eine Wärmepumpe?

Schiedeck Das hängt stark von den Gegebenheiten vor Ort ab. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, bei der die Wärme aus der Außenluft geholt wird, kostet für ein Einfamilienhaus inklusive Einbau rund 30.000 Euro. Eine Erdwärmepumpe, bei der man die Wärme aus dem Erdreich holt, kostet aufgrund der einmalig zu setzenden Erdbohrung 40.000 bis 50.000 Euro.

Das kann doch kaum einer bezahlen.

Schiedeck Es gibt staatliche Förderungen von bis zu 40 Prozent, wenn man Wärmepumpen mit einem natürlichen Kältemittel einsetzt. Vaillant setzt das natürliche Kältemittel R290 ein, das weder die Ozonschicht schädigt noch zur Klimaerwärmung beiträgt. Gleichzeitig erreichen Wärmepumpen mit diesem Kältemittel hohe Vorlauftemperaturen und können somit auch in weniger isolierten Bestandsgebäuden für Wärme- und Warmwasserkomfort sorgen.

Bei Umbauten wird es richtig teuer. Funktionieren Wärmepumpen nur bei einer Fußbodenheizung?

Schiedeck Die Wärmepumpe funktioniert selbstverständlich auch mit ausreichend dimensionierten Heizkörpern. Voraussetzung dafür sind eben die hohen Vorlauftemperaturen. Die Fußbodenheizung ist aufgrund ihrer hohen Wärmeübertragungsfläche sehr effizient und wird daher überwiegend im Neubau oder bei einer Kernsanierung eingebaut.

Wie viel Strom braucht eine Wärmepumpe?

Schiedeck Je nach Größe und baulichem Zustand des Hauses im Schnitt 5000 bis 10.000 Kilowattstunden pro Jahr. Im Neubau ist der Strombedarf wesentlich niedriger.

Und womit heizen Sie selbst?

Schiedeck Mit einer Erdwärme-Pumpe, und das schon seit 2007.

Wie funktioniert diese?

Schiedeck Mit einer bis zu 100 Meter tiefen Erdbohrung wird über einen Kreislauf mittels einer speziellen Flüssigkeit, dem Solemedium, Wärme aus dem Erdreich zur Wärmepumpe im Haus gefördert und zur Beheizung genutzt. Die technologische Besonderheit der Wärmepumpe ist, dass sie dem circa 10 Grad warmen Solemedium durch Abkühlung Energie entnehmen kann und damit die Heizkörper auf bis zu 60 Grad aufheizen kann.

Die meisten werden auf eine Luft/Wasser-Wärmepumpe setzen. Wie lange sind die Lieferzeiten?

Schiedeck Wir haben derzeit Lieferzeiten zwischen drei und sechs Monate, gehen aber davon aus, dass sie sich im Lauf des Jahres weiter reduzieren. Auch der Einbau durch den Fachhandwerker kann länger dauern. Zudem sind Planung und technische Auslegung einer Wärmepumpe aufwändiger als bei einer Gasheizung. Ich rate daher, rechtzeitig mit der Planung zu beginnen und die Umrüstung am besten im Sommer und nicht zur Hauptsaison im Winter vorzunehmen.

Was ist mit Mehrfamilienhäusern? Können die auch mit Wärmepumpen beheizt werden?

Schiedeck Auch dafür gibt es verschiedene technische Lösungen. Bei größeren Immobilien werden eine oder mehrere in Reihe geschaltete Wärmepumpen mit entsprechend großer Leistung eingesetzt. Die dafür erforderlichen Außeneinheiten können zum Beispiel im Innenhof aufgestellt werden, bei Flachdachhäusern auch auf dem Dach. Sicherlich werden in den nächsten Jahren auch noch weitere Innovationen für diese Anwendung entwickelt werden.

Weil es immer wieder befürchtet wird: Was gilt für funktionierende Öl- und Gas-Heizungen?

Schiedeck Keiner muss eine funktionierende Gas- oder Ölheizung ausbauen. Selbst wenn eine Gasheizung dauerhaft ausfällt, kann zunächst ein neues Gasgerät eingebaut werden. Die neue Gesetzgebung räumt dann eine Übergangsfrist von drei Jahren ein, um später eine Wärmepumpe einzubauen, damit die Anforderung erfüllt werden kann, zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu heizen. Das Gasheizgerät unterstützt die Wärmepumpe nur an den wenigen Tagen im Jahr, in denen es sehr kalt ist.

Man versteht die Hektik der Regierung nicht. Wenn nun noch ein Run auf neue Gasheizungen einsetzt, ist das klimapolitisch kontraproduktiv.

Schiedeck Wichtig ist, dass es bei einmal getroffenen politischen Entscheidungen bleibt. Eine Heizung ist nun mal eine Investition für 20 Jahre. Bürger und Heizungsbranche brauchen Planungssicherheit. In Skandinavien, der Schweiz, Länder, in denen es bekanntlich auch einmal kälter werden kann, ist die Wärmepumpe mittlerweile Standard. Wichtig ist, den Strompreis zu begrenzen, wie es die Bundesregierung jetzt getan hat. Dadurch wird die Investition in eine Wärmepumpe für den Immobilienbesitzer wirtschaftlich.

Wann verschwindet die Gasheizung endgültig?

Schiedeck Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Gasheizungen nach 2030 deutlich abnehmen wird. Technisch ist es möglich, auch eine Gasheizung klimaneutral zu betreiben – mit grünem Wasserstoff, der mit erneuerbarer Elektrizität hergestellt wird. Voraussetzung für den Einsatz von Wasserstoff zur Beheizung von Immobilien ist eine ausreichende Verfügbarkeit, die derzeit noch nicht absehbar ist. Daher werden voraussichtlich in den nächsten Jahren Wärmepumpen die dominierende Technologie zur CO2-neutralen Beheizung von Immobilien sein.

Damit ist Vaillant nun einer der großen Gewinner der Wärmewende?

Schiedeck Als Weltmarktführer für Gasheizgeräte hat Vaillant gewaltige Investitionen zu stemmen, um auch im Geschäft mit Wärmepumpen genauso erfolgreich zu bleiben wie mit Gasgeräten. Seit 2016 haben wir eine Milliarde Euro in das Wärmepumpengeschäft investiert. Es können weitere Investitionen in gleicher Größenordnung notwendig werden – abhängig von der Marktentwicklung in Europa. Das ist für ein Familienunternehmen wie Vaillant eine große unternehmerische Entscheidung – mit allen Risiken und Chancen.

In Asien gibt es mit Daikin, Mitsubishi und LG große Hersteller von Klimaanlagen, die ähnlich wie Wärmepumpen funktionieren, und nun auch in den deutschen Markt drängen könnten. Besorgt Sie das?

Schiedeck Wir sind es gewohnt, in intensivem Wettbewerb zu stehen. Die asiatischen Mitbewerber kommen traditionell aus dem Klimagerätegeschäft und nicht aus der Heizungsbranche. Die Stärke von Vaillant ist die jahrzehntelange Erfahrung mit wassergeführten Heizungen. Zudem pflegen wir langjährige partnerschaftliche Beziehungen zum Fachhandwerk. Jährlich trainieren wir mehr als 40.000 Fachhandwerker. Unsere Fachpartner sorgen dafür, dass Wärmepumpensysteme präzise geplant und technisch korrekt installiert werden. Dies ist entscheidend für einen zuverlässigen und effizienten Betrieb der Wärmepumpe.

Welche Rolle spielt die Familie im Unternehmen Vaillant?

Schiedeck Das Unternehmen gehört der Familie Vaillant in sechster Generation und ist vollständig in Familienhand. Die Geschäftsführung ist seit vielen Jahren mit externen Managern besetzt. Die Eigentümer steuern über Gesellschafterausschuss, Aufsichtsrat und natürlich über die Gesellschafterversammlung die Unternehmensentwicklung. Der eingeschlagene Kurs, die Strategie des Unternehmens, wird von den Eigentümern in jeder Hinsicht unterstützt.

Gerade haben Sie im slowakischen Senica eine, wie Sie sagen, Megafabrik in Betrieb genommen. Was ist daran Mega?

Schiedeck Die Fabrik, die eine Fläche von 100.000 Quadratmetern umfasst, ist auf eine jährliche Produktionskapazität von 300.000 Wärmepumpen ausgelegt. Damit verdoppelt Vaillant seine Produktionskapazitäten auf weit mehr als eine halbe Million Pumpen pro Jahr. Die neue Fabrik ist ein erster Abschnitt. Je nach Marktnachfrage kann die Produktionskapazität auf eine Million Wärmepumpen erweitert werden, daher der Begriff Megafabrik.

Und warum steht die Megafabrik nicht in NRW?

Schiedeck Das Grundstück hat eine Länge von über einem Kilometer, in der Slowakei wurde uns ein geeignetes Grundstück angeboten. Die Genehmigungsverfahren sind dort auch aufwendig und unter anderem mit der Anhörung der Öffentlichkeit verbunden, aber zeitlich zuverlässiger planbar als in Deutschland.

vaillant geschäftsfuehrung ceo norbert schiedeck

vaillant geschäftsfuehrung ceo norbert schiedeck

Foto: vaillant

Und was passiert hier in Remscheid?

Schiedeck In Remscheid stellen wir weiter Wärmepumpen und Gasheizungen her, insgesamt über eine halbe Million Geräte pro Jahr. Neben unserer Zentrale ist hier auch unser neues Entwicklungs- und Testzentrum, in dem von unseren Ingenieuren und Experten Wärmepumpen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Standards entwickelt und sorgfältig getestet werden. Zusätzlich wird hier am Hauptsitz des Unternehmens eine hochmoderne Fabrik für Elektronikkomponenten aufgebaut, die nächstes Jahr in Betrieb gehen wird. Von hier aus werden zukünftig alle Vaillant Standorte weltweit mit Elektronikbaugruppen beliefert.

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